„So nett im KZ“

■ Neonazistische Aktivitäten der CDU-Jugend beschäftigten erneut die Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft hat jetzt zum zweitenmal in diesem Jahr wegen rechtsextremer Vorfälle ein Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Jungen Union eingeleitet. Drei junge Männer im Alter von 18, 19 und 25 Jahren stehen unter dem Verdacht, während einer Silvesterfeier der Jungen Union Tempelhof zum Jahreswechsel 1986/87 das nationalsozialistische „Horst-Wessel-Lied“ gesungen und mehrfach „Sieg Heil“ gerufen und die rechte Hand zum „Hitler -Gruß“ erhoben zu haben. Die Anklage der Staatsanwaltschaft: Volksverhetzung, Beleidigung und Verwendung verfassungswidriger Symbole. An den Vorfällen sollen sich noch drei weitere Mitglieder der CDU-Nachwuchsorganisation beteiligt haben, die der Staatsanwaltschaft aber nicht namentlich bekannt sind. Den jungen Christdemokraten wird ferner das Singen eines Liedes mit volksverhetzendem Inhalt vorgeworfen. Das Trio, so die Staatsanwaltschaft, hätte nach der Melodie von „Glory, Glory Hallelujah!“ die Verse „Wir füllen unser Schwimmbad mit dem Blut der SPD“ und „Wir hängen Fortsetzung auf Seite 18

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Heinz Galinski an der Synagoge auf!“ gejohlt. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin hat Strafantrag gestellt.

Die Ereignisse wurden bekannt, als mehrere Mitglieder der JU Tempelhof den Kreisverband der CDU informierten. Die CDU verständigte daraufhin die Ermitlungbehörden. Die Beschuldigten, die sich demnächst vor einem Jugendschöffengericht verantworten müssen, weisen die Vorwürfe entschieden zurück.

Schon im April war die JU in die Schlagzeilen geraten, als die Staatsanwaltschaft Anklage gegen weitere drei Mitglieder erhoben hatte. Sie sollen bei einer Fahrt ihrer Organisation zum Hambacher Schloß im Mai 1985 ebenfalls das „Horst-Wessel -Lied“ gesungen, „Ausländer raus!“ und „Heil Hitler!“ gerufen haben. (Die taz berichtete mehrfach darüber.) In diesem Fall sind die Angeklagten teilweise geständig.

Weil der Schritt von der Anzeige bis zur Anklage in diesem Fall ganze zweieinhalb Jahre betrug, hatte der SPD -Abgeordnete Erich Pätzold Kritik an den Ermittlungsbehörden geübt. Die Staatsanwaltschaft war, nachdem im Herbst 1985 in der Berliner Presse über die Fahrt berichtet worden war, auch nicht von sich aus tätig geworden. Die Ermittlungen wurden erst eingeleitet, nachdem ein 69jähriger Sozialdemokrat Anzeige erstattet hatte.

Ein anderes Verfahren, das auf dieselbe Art in Gang kam, wurde inzwischen von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Ein Lied mit dem Refrain „Im KZ war's doch so nett“ hielt der ermittelnde Beamte für „ironisch“ und „kritisch„; außerdem werde sich an anderer Stelle im Text „eindeutig von alten und neuen Nazis distanziert.“ Gegen die Einstellung des Verfahrens hat der Kläger inzwischen Beschwerde eingelegt.

C.C. Malzahn