Hungerstreik von Asylbewerbern in Österreich

Seit einer Woche stehen 66 polnische Asylbewerber im österreichischen Flüchtlingslager Traiskirchen im Hungerstreik / Protest gegen das neue „Schnellverfahren“, das sich zunehmend als „Abschreckungsinstanz“ erweist / Starker Anstieg der Asylanfrage aus Polen  ■  Aus Wien Oliver Lehmann

66 polnische Flüchtlinge sind im südlich von Wien gelegenen Flüchtlingslager Traiskirchen in einen Hungerstreik getreten, um gegen eine Entscheidung der österreichischen Behörden zu protestieren, die ihnen kein politisches Asyl gewähren. Wie Amnesty International am Montag mitteilte, hatten 86 Polen den Hungerstreik vor einer Woche begonnen. Zwei von ihnen mußten mittlerweile in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Die anderen haben den Streik aufgegeben.

Die Polen protestieren gegen das neue „Schnellverfahren“ bei Asylanträgen, das am 9.Mai zur Behandlung von Asylanträgen polnischer und ungarischer Flüchtlinge eingeführt wurde. Das Innenministerium hatte wegen der Aufhebung der Visapflicht ein Ansteigen der Flüchlingszahlen erwartet; die Zahl der polnischen Asylbewerber stieg von 667 Anträgen 1987 auf 2.271 Anträge zwischen Januar und Mai dieses Jahres. Das Schnellverfahren sollte den Antragstellern das jahrelange Warten auf Anerkennung als politischer Flüchtling ersparen. Die Handhabung des Schnellverfahrens läßt aber eher den Schluß zu, daß es sich um eine Abschreckung potentieller Asylbewerber handelt. War es bis letztes Jahr noch möglich, trotz negativen Bescheids in Österreich zu bleiben, sollen jetzt die polnischen Flüchtlinge wieder nach Polen abgeschoben werden.

Die hungerstreikenden Polen fordern ein korrektes Verfahren; bei den Antragsgesprächen sollen die Dolmetscher des Innenministeriums eigenmächtige Übersetzungen gemacht haben, weiter ist bei der Verlesung des Protokolls auf Deutsch kein Dolmetscher anwesend. Außerdem sind Amnesty International, das die Flüchtlinge betreut, einige Fälle bekannt, wonach Beamte das Gespräch verweigern und die Antragsteller auffordern zurückzukehren. Nach Ablehnung dieser „Abschreckungsinstanz“, so das AI-Mitglied Jürgen Kreuzreuther, besteht eine Einspruchsmöglichkeit; wer dann wieder abgelehnt wird, muß, wie die drei Polen im Hungerstreik, damit rechnen, in Abschiebehaft genommen zu werden. Der Anlaß war, daß sich die Polen geweigert hatten, ihre Pässe anzunehmen. Die Abschiebehaft wurde mit „sozial schädlichen Neigungen und Verstößen gegen die Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ begründet.

Die drei Teilnehmer am Hungerstreik wurden nach Intervention von AI inzwischen freigelassen. Der Generalsekretär von AI Österreich, Dr. Wolfgang Aigner, sagte in einer Stellungnahme zu dem Vorfall: „Das gewaltfreie Mittel des Hungerstreiks als sozial schädlich zu bezeichnen, ist ungerecht und zynisch.“ Während der Hungerstreik weitergeht, kommt neue Arbeit auf die Beamten des Innenministeriums zu. Allein in der Nacht von Montag auf Dienstag ersuchten 212 Polen in Österreich um Asyl.