Amnestie für Sowjet-Deserteure

■ Präsidium des Obersten Sowjet begründet Amnestie für Afghanistan-Deserteure / Abgrenzung zur stalinistischen Militärjustiz / Pakistan und USA sollen bei Rückkehr der Geflüchteten helfen

Berlin (taz/wps) - Am Montag hat der Generalstaatsanwalt der UdSSR eine Amnestie für alle Deserteure und ehemaligen Soldaten der Roten Armee erlassen, die im Afghanistan-Krieg gekämpft haben. Diese vom Präsidium des Obersten Sowjet zuvor beschlossene Amnestie betrifft 312 Soldaten, die zur Zeit noch vermißt werden. Fast 100 Soldaten sollen in der Gefangenschaft der Widerstandskämpfer umgekommen sein, noch etwa 140 Männer werden nach sowjetischen Schätzungen von den Mudjahedin festgehalten, und weitere 60 bis 70 Soldaten halten sich nach ihrer Flucht in Pakistan, den USA, Kanada oder in Westeuropa auf. Diesen soll nun die Möglichkeit zur straffreien Rückkehr in die Sowjetunion gegeben werden. Generalstaatsanwalt Sucharew erklärte in Moskau, auch der 22jährige Nikolai Ryschkow, der nach seiner Flucht aus Afghanistan und einem 18monatigen Aufenthalt in den USA nach Moskau zurückgekehrt und daraufhin als Deserteur zu 12 Jahren Haft verurteilt worden war, sei am Wochenende freigelassen worden. Weitere anhängige Verfahren würden eingestellt werden. Offensichtlich soll mit dieser Amnestie der Wandel im Selbstverständnis des Militärs unterstrichen und eine deutliche Abgrenzung zur stalinistischen Militärjustiz gezogen werden. Für den Generalstaatsanwalt liegt der historische Hintergrund für die Amnestie im Verhalten der Roten Armee nach dem 2.Weltkrieg. Damals seien viele sowjetische Soldaten direkt aus den Kriegsgefangenenlagern der Deutschen in sowjetische Gefängnisse gebracht worden. Unter dem Vorwurf der Kollaboration, und weil sie nicht bis zum Tode gekämpft hatten, wurden Zehntausende exekutiert. Auch danach wurden Soldaten nach ihrer Kriegsgefangenschaft von Militärgerichten verurteilt. Die Amnestie habe den Zweck, diese Angst zu nehmen. „Wir verstehen den extremen Charakter der Konditionen, in denen sich diese Soldaten befunden haben, die Härten und Schwierigkeiten, denen sie in Gefängnissen und fremden Ländern ausgesetzt waren“, sagte Sucharew „aber das sowjetische Volk hat nicht das Vertrauen zu seinen Soldaten verloren und hat einen Sinn für Humanismus und Gerechtigkeit.“ Er hoffe, die Männer hätten noch ihren Glauben an das sozialistische Leben. Inzwischen wurden auch Gespräche mit pakistanischen und US -Regierungsstellen geführt, die bei der Rückkehr der Deserteure behilflich sein sollen.

Flo