„Es bröckelt selbst in der CSU“

■ Interview mit Michael Sailer, Diplom-Ingenieur vom Öko-Institut in Darmstadt Sailer ist einer der Sachbeistände der Kläger gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf

I N T E R V I E W

taz: Welche Auswirkung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Montag auf den Fortgang des WAA-Verfahrens?

Michael Sailer: Was auf der Baustelle mit der umstrittenen Genehmigung angefangen wurde, kann auch weitergebaut werden, hauptsächlich also das Brennelemente-Eingangslager. Ansonsten hat das Urteil kaum weitere Konsequenzen, weil die DWK (Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen) inzwischen ihr Projekt völlig geändert hat. Die neue Anlagenplanung steht ab kommenden Montag beim Erörterungstermin in Neunburg zur Diskussion. Im Endeffekt ist entscheidend, ob die WAA politisch stirbt oder nicht. Im praktischen Leben kommt es nicht so sehr auf die Gerichte an.

Kann man den Baustopp mit einem weiteren Eilantrag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof doch noch erreichen?

Wir werden diesen Antrag stellen. Aber der Verwaltungsgerichtshof entscheidet selbst, wann er sich damit befaßt. Das Gericht hat schon des öfteren reife Verzögerungsleistungen vollbracht. Das kann zwei Jahre dauern.

Welchen Stellenwert hat der Erörterungstermin in dem gesamten Verfahren?

Er hat einen inhaltlichen und einen politischen Stellenwert. Inhaltlich vor allem, weil sich die Gerichte bisher weigern, überhaupt über die Sicherheit und andere Probleme der WAA zu reden. Auf dem Erörterungstermin müssen die Betreiber über alle Sicherheitsprobleme reden. Wir werden denen ohne große Probleme zeigen können, wie unsicher ihr Konzept ist und wie gefährlich für die nähere und weitere Umgebung. Politisch hat das einen großen Stellenwert wegen der Zahl von 850.000 Einwendungen. Darunter sind nicht nur Einzelpersonen, sondern auch viele Kommunen. Es gibt eine Reihe bayerischer Städte, die auch mit CSU-Stimmen Einspruch gegen die WAA erhoben haben. Die Befürworter-Front bröckelt selbst in der CSU.

Erörterungstermine in Atomverfahren werden zum Teil auch von den EinwenderInnen als völlig unverbindlich kritisiert. Was kann dabei rauskommen?

Sachlich kann und wird rauskommen, daß diese Anlage in vielen Details gefährlich ist. Es wird herauskommen, daß die radioaktive Belastung viel höher sein wird, als die DWK behauptet. Es wird wohl auch herauskommen, daß die DWK rein ingenieurmäßig unfähig ist, eine solche Anlage überhaupt funktionsfähig zu bauen.

Der Erörterungstermin wird sich unter Umständen bis in den Herbst hinziehen. Wann wird das Bayerische Umweltministerium über die zweite TEG entscheiden?

Wenn die DWK sie braucht.

Interview: Gerd Rosenkranz