Blockade-Freispruch trotz BGH

Landgericht in Bad Kreuznach wendet sich gegen den Bundesgerichtshof und spricht drei Blockierer von Cruise-Missile-Basis frei / Gleichzeitig fünf andere Demonstranten verurteilt: wegen zu langer Blockade  ■  Von Ursel Sieber

Berlin (taz) - Das Landgericht Bad Kreuznach hat am Montag zwei Blockierer vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen und ist damit von der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofes abgewichen. Fünf andere Blockierer hat das Gericht jedoch zu jeweils 20 Tagessätzen verurteilt.

Die beiden Demonstranten, die freigesprochen wurden, hatten sich im Herbst 1986 an einer Sitzblockade am Cruise-Standort Hasselbach beteiligt. Einer der Angeklagten war der frühere Bundestagsabgeordnete Roland Vogt. Der Vorsitzende Richter Hartmut von Tzschoppe wollte sich in diesem Falle dem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ausdrücklich nicht anschließen: Gerade für das allgemeine Rechtsempfinden sei es eine Selbstverständlichkeit, den ideellen Hintergrund der Sitzblockade in die Wertung einzubeziehen.

Der 1.Strafsenat des BGH hatte dagegen im Mai die Meinung vertreten, daß Blockaden grundsätzlich strafbar seien und die politischen Fernziele höchstens bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollten. Auf der Grundlage dieses BGH -Beschlusses würde auch sozial akzeptables oder gar zu billigendes Verhalten zu strafbarem Unrecht, führte Richter Tzschoppe aus. Dies gelte beispielsweise für eine Person, die einen endlos Telefonierenden aus der Telefonzelle vertreibe, um einen Notruf durchgeben zu können.

Wegen Nötigung verurteilt wurden dagegen drei Personen, die im Mai 1987 ebenfalls an einer Hasselbach-Blockade teilgenommen hatten. Begründung: Die Blockierer seien „weit über die zeitliche Grenze hinausgegangen“, indem sie mit 74 Minuten ungefähr dreimal so lange blockiert hätten wie die Freigesprochenen.

Auch zwei Personen, die im Oktober 1987 in Hasselbach blockiert hatten, verurteilte das Gericht. Zu diesem Zeitpunkt sei das Demonstrationsziel, die Bevölkerung für die mit dem Wettrüsten verbundenen Gefahren zu sensibilisieren, in vollem Umfang erreicht gewesen. Die Unterzeichung des INF-Vertrages habe unmittelbar bevorgestanden. Dazu erklärte Klaus Vack vom Komitee für Grundrecht und Demokratie, ihm sei nicht begreiflich, warum der Vorsitzende Richter diese „willkürliche Linie“ gezogen habe. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Zuständig ist jetzt das Oberlandesgericht Koblenz, das bislang allen Revisionen der Staatsanwaltschaft stattgab.