Hör-Funken: Überdosis

Überdosis. „Das Testament des Abiturienten Klaus Ohlinger“: Vorzustellen ist einer, der mit seinem Motorrad in den Tod schnellte. Unfall. Nun wird aus Fragmenten des verunglückten Lebens zusammenzubauen versucht, wer dieser Klaus Ohlinger war. Weil ein denkwürdiges Bild entstehen muß, wenn ein bedeutungshungriger Blick danach sucht, zeigt sich dieses: ein junger Mann, auf der einen Seite hilfsbereit, sensibel, ja offenbar sogar fromm, der auf der anderen Seite im Rockermilieu verkehrte, Uniformen, Macht und Nazi-Symbole wie Aufputschmittel liebte. Das Hörspiel ist von 1985, der Pressetext, der aus demselben Jahre stammen muß, teilt mit, die „persönliche Zerissenheit“ des frommen Rockers lasse „ein Lebensgefühl aufscheinen, das die Stimmung weiter Teile der jungen Generation umreißt“. Das Stück umreißt vermutlich eher den Typus der Sozialwissenschaftler-Phantasie, die munter die Beweiststücke zusammenmontiert, die ihr Weltbild benötigt. Hier ein wenig Milieuabzeichen, dort ein kleines Fallbeispiel kirchlicher Jugendmission, schon sind durch Aufklärungskitsch die Zeichen der Zeit um weite Teile der jungen Generation gesetzt. Und gäbe es den Fall des frommen Rockers auch in der bunten Wirklichkeit: so sage niemand, daß solche Sozialwissenschafts-Phantasie keine Folge habe. 2000-2105, WDR 1.

Zwischen allen Stühlen. Von anderem Kaliber ist dieser Bericht: „Ein junger Südamerikaner muß vor der Militärdiktatur seines Heimatlandes fliehen. Über Brasilien und Dänemark kommt er nach Schweden, wo er Asyl findet und nach kurzer Zeit psychotherapeutischer Behandlung bedarf: Schuldkomplexe und Verfolgugswahn machen das Leben des jungen Mannes zu Hölle. Hein G.Schmidt berichtet für den Westdeutschen Rundfunk mehrmals über den Fall, trifft den jungen Mann in Schweden, Dänemark und in der Bundesrepublik. Dann plötzlich beginnen sich Polizei und Geheimdienste zu interessieren: Der Journalist wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz observiert, der südamerikanische Flüchtling wird verhaftet und wieder freigelassen. Als der junge Mann daraufhin, zahnlos und gebrochen an Leib und Seele, in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wird, ist dieser abschließende Bericht fällig.“ Nur: Warum abschließend? 21.00-2200, WDR 3

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