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Mein wunderbarer Bürgerkrieg

■ Stephen Frears, Hanif Kureishi und „Sammy und Rosie tun es“, aber sie könnten es besser machen

Lutz Ehrlich

London brennt: Lodernde Feuer und Rauchfahnen stehen über dem Ghetto. Autos fackeln ab, Steine fliegen, Geschäfte werden geplündert. Eine schwarze Hausfrau wird vor ihrem Herd von einem Polizisten erschossen, daraufhin proben die Entrechteten den Aufstand - zumeist in Stiefeln und schwarzen Lederjacken. Hier wohnen die Ausgegrenzten des Thatcher-Regimes: Die Schwarzen, Braunen, Gelben und Roten. Die Arbeitslosen und Alkoholiker, die Drogenabhängigen, die Lesben und die Schwulen. Die Häuser sind heruntergekommen, und wer kein festes Dach über dem Kopf findet, der wohnt auf dem Kubat-Dreieck von London, einer Wagenburg unter einem Autobahnzubringer. Brixton heißt dieser Stadtteil, den Stephen Frears als letzte Zufluchtsstätte der vom neuen englischen Wirtschaftswunder Ausgegrenzten vorführt, obwohl auch Brixton schon längst von den Yuppies in die Zange genommen worden ist. Die Schwarze ist wirklich erschossen worden - am 28. September 1985 und ohne Vorwarnung - der Rest von Frears atmosphärischer Schilderung des Lebens in einem Stück europäischer Dritter Welt ist grob überzeichnet. Absichtlich, doch es sieht aus wie aus dem Baukasten-System, Abteilung Bürgerkrieg in den Achtzigern: Brixton als Kulisse. In diesem Dschungelkampf der modernen Metropolen mittendrin: Sammy und Rosie. Sie gehören zu den Privilegierten des Ghettos. Sammy ist zwar Pakistani, aber Steuerberater. Rosie ist zwar weiß, aber Sozialarbeiterin, was heißt: links. Wenn draußen Randale ist, läßt sie das ungerührt. Die beiden sind zwar ein Paar, aber mit dem Sex zwischen ihnen ist schon Essig. Für untenrum hat Sammy eine amerikanische Fotografin mit Luxus-Loft, Rosie einen farbigen Arbeitslosen mit Wohnwagen. Aber wahrscheinlich haben sie es auch noch mit ganz anderen, denn das hat man so in ihren Kreisen: Die Freunde der beiden sind die beliebte Mischung aus Politischen und Perversen, Enkel und Erben von '68. Ihre Party-Smalltalks kommen einem ungemein bekannt vor, sie sind treffend, wirken trotzdem wie bestellt.

Aufgewühlt wird die Idylle zwischen freier Liebe und brennenden Barrikaden mit dem Eintreffen von Sammys Vater, dem Alibi-Antagonisten der Geschichte. Als Bonze und Potentat der pakistanischen Politik ist er in jeder Hinsicht der Vertreter des Schweine-Systems - egal ob in England oder in Pakistan. Er ist korrupt, liebt fettes Essen und magere Frauen. Und das Aufbröseln seiner dunklen Vergangenheit Folter und Mord, alles zum Wohl des pakistanischen Volkes in einem Luxusrestaurant ist eine der überzeugendsten Szenen des Films: Da wachsen endlich Sammy und Rosie mal über ihre Alternativ-Schablonen hinaus. Aber dann tun sie es schon wieder: Alle drei mit einem anderen und zu sechst auf der Leinwand in horizontaler Schichtung. Das soll der Höhepunkt des Films sein, und Sex ist im puritanischen England immer noch eine Provokation. Sie funktioniert - zumindest dort pflichtgemäß: Für mich eher ein netter Einfall als ein Höhepunkt.

Die Liebe nämlich löst längst nicht alle Probleme, und davon gibt es in diesem Film mehr als genug: Das ganze Elend in eineinhalb Stunden, da bleibt für jedes einzelne Problemchen nicht viel Zeit. So wird die Wahlkampfplattform der Labour Party samt genehmer Ergänzungen im Lifestyle -Bereich durchgehechelt. Auf der Strecke bleibt der Vater, denn der kennt sich gar nicht mehr aus in diesem England zwischen Eisernem Besen und angerosteten 68er-Idealen.

Zurück bleibt Resignation, Depression: Diesem England ist nicht mehr zu helfen, während dem verbliebenen Fähnlein der sozial Aufrichtigen und politisch Bewußten das Leben immer schwerer gemacht wird. Zu Letzteren gehören ohne Zweifel Kureishi und Frears. Ihre Wut auf Maggie Thatcher und alle Tories ist im Film deutlich zu spüren. Das Kino als Kampfarena: Die Absicht überlagert alles und deshalb wird dem Zuschauer das Anliegen mit dem Holzhammer eingetrichtert. Die Verbindung von Privatem und Politik, von Spaß und Sozialkritik wie sie noch im Waschsalon lässig -locker inszeniert zu sehen war, ist bei Sammy und Rosie kein Spiel mehr, sondern blutiger Ernst. Kureishi, im Schnellstart vom Paki zum Star aufgestiegen, bemüht sich vergeblich, seiner alten Klientel treu zu bleiben. Frears hat Kureishis Statuswandel und die dazugehörigen Brüche überhaupt nicht begriffen und rettet sich statt dessen mit viel Material ins Stereotyp: Jede einzelne Szene könnte noch einen Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben - alles zusammen ist ein Brei, in dem jegliche Form von sozialer Devianz akzeptiert ist, solange sie sich zum Kampf gegen Thatcher instrumentalisieren läßt: Schwarze sind zwar auch schwarz, aber hauptsächlich gegen Maggie.

Wie sein London aussehen sollte, zeigt der Sozialromantiker Frears in einer Szene: Da scheint die Sonne, und alle Menschen lieben sich - eben Labour mit einem Schuß flower power. Eigentlich möchte er nur in Frieden leben, aber sie läßt ihn nicht.

Meine Erwartungen waren nach dem Waschsalon hochgesteckt, da kommen Sammy und Rosie nicht ran. Stephen Frears glaubt sich politisch auf der Überholspur. Dabei eiert er mit einem Rad schon auf der Grasnarbe.

„Sammy und Rosie tun es“, von Stephen Frears, Buch Hanif Kureishi, mit Shashi Kapoor, Frances Barber, Roland Gift, GB 1987, 100 Minuten

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