Opfer parteiischer US-Politik im Golf

Die „friedenstiftende“ Mission der US-Marine und ihrer westlichen Verbündeten im Persischen Golf diente von Anfang an einem einzigen Ziel: den Druck auf den Iran zu verstärken  ■  Von Fred Halliday

Was auch immer die Wahrheit über die genauen Umstände beim Abschuß des iranischen Verkehrsflugzeugs durch die US-Marine sein mag, so macht dieser Vorfall die gefährliche Konsistenz der US-Politik in der Golf-Region deutlich. Ziel dieser Politik ist es, Druck auf den Iran auszuüben, im Krieg mit dem Irak nachzugeben.

Die amerikanische und westliche Präsenz im Golf wird als „friedensstiftend“ verteidigt; in Wirklichkeit sind dies parteiische Streitkräfte, eingesetzt zum Schutz des Irak und zur Verstärkung des irakischen Drucks auf den Iran. Es ist genau diese Politik mitsamt ihren Mängeln, die nach der Attacke auf das iranische Zivilflugzeug vom Sonntag im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stehen sollte.

Die USA und ihre Verbündeten haben von Beginn des Krieges im September 1980 an Partei ergriffen. Als der Irak den Iran angriff - was niemand bezweifelt - wurde diese Invasion vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weder als Verletzung der UN-Charta verurteilt, noch rief der Rat den Irak zum Rückzug hinter die eigenen Grenzen auf.

1987 stimmte der Sicherheitsrat für die Resolution 598, die einen sofortigen Waffenstillstand forderte; aber auch dies war eine pro-irakische Maßnahme, weil es jegliche Untersuchung der Kriegsursachen an diesen sofortigen Waffenstillstand band, was für den Iran nicht akzeptabel war. Die Resolution 598 war mit der Absicht formuliert worden, den Iran in die Defensive zu zwingen. Daß Teheran die Resolution des UN Sicherheitsrates nicht gleich völlig ablehnte, muß für viele als Enttäuschung gekommen sein.

Die Position der Iraner ist in vielen Belangen völlig unhaltbar: was den Krieg angeht, haben sie jedoch das Recht auf ihrer Seite. Der Iran war 1980 Opfer einer Aggression, er hat weder mit dem Einsatz chemischer Waffen noch mit dem Tankerkrieg begonnen. Teheran hat dem UN-Generalsekretär mehrmals angeboten, über einen Waffenstillstand zu reden, sofern die Frage, wer den Krieg begonnen habe, zuerst behandelt werde.

Es gibt also bereits seit mindestens einem Jahr ein diplomatisches Fenster, durch das der Golf-Krieg einem Ende nähergebracht werden könnte, und es ist der Iran, der dieses Fenster offenhält. Dies würde eine graduelle Reduktion der Spannungen voraussetzen, zuerst durch den Einsatz eines internationalen Tribunals über die Ursachen des Krieges, dann durch einen Waffenstillstand im Tankerkrieg und Krieg der Städte, und schließlich durch einen breiteren Waffenstillstand und den Rückzug hinter die Grenzen von 1980.

In diesen Punkten hat der UN-Sicherheitsrat einen Mangel an Entscheidungskraft und Klarheit an den Tag gelegt, hat der Westen, angeführt von der US-Marine, versucht, verstärkten Druck auf den Iran auszuüben.

Der Abschuß des iranischen Verkehrsflugzeuges dürfte kaum zu einer nennenswerten Veränderung dieser Politik des Westens führen. Die anti-iranischen Ressentiments in den USA sind so stark, daß Reagan selbst die Kritik in der Nachfolge dieses Ereignisses mühelos aushalten kann.

Mit der gleichen Vorhersagbarkeit entschuldigen die westlichen Verbündeten den Abschuß als eine Panne, ganz anders als beim Abschuß des koreanischen Verkehrsflugzeuges durch die UdSSR im Jahre 1983. Dabei müßte die strategische Orientierung der US-Politik einer kritischen Überprüfung unterworfen werden, und nicht nur die spezifischen Ursachen des Ereignisses selbst.

Wenn ein angetrunkener Fahrer einen Fußgänger überfährt, verbringt man ja auch nicht allzu viel Zeit mit der Diskussion, ob hier eine Tötungsabsicht vorgelegen hat oder nicht: wichtig ist, daß der Mann gar nicht erst ans Steuer durfte. Die gleiche Logik gilt für die US-Politik im Golf: die US-Marine hat im Golf einfach grundsätzlich nichts zu suchen. Der Weg zur Beilegung des Golf-Krieges lautet, diejenigen Forderungen des Iran zu erfüllen, die vernünftig sind, und dann auf den Irak Druck auszuüben, einen Friedenskompromiß anzunehmen.

Fred Halliday ist Professor für Internationale Beziehungen an der „London School of Economics“ und Autor des Buches über den Kalten Krieg: „Frostige Zeiten“, Verlag Neue Kritik 1984. Übersetzung: Rolf Paasch