Grafschaft Brühl

■ Eine Wimbledon-Siegerin kehrt heim

Brühl (taz) - Am Ortseingang wurden die Schilder ausgetauscht. „Grafschaft Brühl“ steht da jetzt schwarz auf gelb. Immer wieder ist von „unserer Tenniskönigin“ die Rede, „Lady Schmetterhand“, die nun „die andere“ entthront habe. Die Stadt Brühl empfängt ihre Wimbledonsiegerin Steffi Graf.

Von den 14.000 Untertanen ist ein Zehntel auf dem Meßplatz erschienen, um der jungen Gräfin zu huldigen. Mehrmals regnet es, dann knallt plötzlich die Sonne, und Stefanie steht auf dem Podium. Etwas zu viel Make-up, rosa Lippenstift, dunkler Faltenrock, breitschultriges Glenchecksacko, Stretchgürtel, vergnügt-genervtes Gesicht. „Ach Gott, isch die groß gworre“, freut sich das Volk auf dem Platz.

Jubel! Um sie herum die Hofschranzen von CDU und SPD, Landräte, Vereinsmeier, ein Brigadegeneral. Die Gräfin selbst zwingt sich kein Lächeln ab, gibt zu, daß sie im Streß ist. Als die Grafschaft ihr ein Pferd schenkt und der Hundeverein einen Hund, versteckt sie ihr Entsetzen nicht. Wer soll das Viehzeugs pflegen? „Morgen flieg‘ ich nach Tokio“, näselt sie leise. Nochmals winkt die junge Königin. Dann wird sie abgeführt, von sechs Polizisten auf Seitenwegen. Zwei Dorfpunks rufen ihr Liebesgrüße nach.

Götz Conrad