Niederländische Wasserwerke contra BASF

Fünf Wasserwerke fordern Schadensersatz für Rheinverseuchung durch Bentazon / Gift muß für Millionen Gulden herausgefiltert werden / BASF beruft sich auf EG-Richtlinien / In Holland gelten bereits strengere Grenzwerte, die in der BRD erst ab 1989 eingeführt werden  ■  Aus Ludwigshafen Götz Conrad

Die Niederländer sind wütend. In ihrem Trinkwasser befindet sich ein Unkrautvernichtungsmittel: das Herbizid Bentazon, das ausschließlich von dem Chemieunternehmen BASF in Ludwigshafen produziert wird. Was da in Ludwigshafen aus der Kläranlage fließt, müssen die Niederländer für Millionen Gulden wieder herausfiltern. Fünf niederländische Wasserwerke (Amsterdam, Südholland-Ost, Gelderland, Nordholland und Ostijsselmonde) machen das nicht mehr mit. Sie werden von der BASF Schadensersatz für die Kosten verlangen, die ihnen im letzten Jahr bei der Säuberung des Rheinwassers entstanden sind. Die Höhe der Forderung ist noch nicht bekannt. Die Rechtsabteilung der Wasserwerke teilte gestern auf Anfrage mit, daß in diesen Tagen ein entsprechendes Schreiben an die BASF erarbeitet wird.

Die BASF bestreitet diese neuerliche Rheinverseuchung nicht: „Wie Sie wissen, gilt für die technisch bedingte Bentazon-Konzentration im Auslauf unserer Kläranlage ein behördlicher Grenzwert von 0,1 mg/l, den wir in der Regel deutlich unterschreiten“, schreibt sie an die Wasserwerke.

Die EG-Richtlinien für Trinkwasser sehen einen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter (das sind 0,0001 Milligramm) für Herbizide vor. Die BRD hat zur Einhaltung dieser Werte eine Übergangszeit bis zum 1. Oktober 1989 eingeräumt. Holland hält sich dagegen schon jetzt an diesen Wert. Das ist der BASF egal. Sie hält „die EG-Richtlinien ... in diesem Punkt für völlig verfehlt“. Darauf der Direktor des klageführenden Wasserwerks Nordholland, Heemskerk, gestern zur taz: „Die BASF ist nicht der Gesetzgeber des EG-Raums!“ In den Schreibern der BASF heißt es weiter, die EG -Richtlinien seien inkonsequent, da „aus rational nicht nachvollziehbaren Gründen“ nur für Pflanzenschutzmittel ein „Quasi-Nullwert als Grenzwert“ vorgeschrieben sei, während für gefährlichere Gifte (wie Arsen oder Quecksilber) ein höherer Grenzwert gelte. „die EG-Trinkwasserrichtlinie ist in sich nicht schlüssig.“ Richtig sei, daß Bentazon nur mittelgiftig ist. Die tierexperimentellen Befunde zeigen jedoch eine Erregung des Zentralnervensystems, die zu Schüttelkrämpfen führt. Nach Meinung der BASF aber soll die Bentazon-Versuchung erlaubt bleiben. Ansonsten würde „die landwirtschaftliche Entwicklung ... in Teilbereichen auf eine Situation zurückgeführt, wie sie etwa Mitte des vergangenen Jahrhunderts bestand“, orakelt sie.

Direktor Heemskerk hat ganz andere Probleme: Selbst wenn ab sofort kein Bentazon mehr in den Rhein flösse, bliebe das Herbizid noch etwa zehn Jahre im Wasser nachweisbar. Der Unkrautkiller setzt sich nämlich bis zu zwei Kilometer abseits des Flusses fest und gelangt erst allmählich - bei der Trinkwassernutzung des sogenannten Uferfiltrats - in die Mägen unserer Nachbarn.

Der Verursacher des ganzen steht zwar nach eigenen Worten kurz vor der Lösung des Bentazon-Problems. Aber bis es soweit ist, gibt man sich in der Chefetage dreist. Die BASF fährt in ihrem Schreiben fort: „Wir müssen aber auch Sie bitten, Ihren eigenen Beitrag zur Lösung von Problemen dieser Art nicht zu versäumen.“ Denn „der Rhein dient, wie rechtlich anerkannt ist, vielen Zwecken. Jeder Nutzer muß ... die seiner Nutzung gemäßen Maßnahmen treffen. Wir wären dankbar zu erfahren, welche Maßnahmen Sie hier in naher Zukunft zu treffen gedenken.“ Statt in den Niederlanden „Pressekampagnen“ zu veranstalten, solle man gemeinsam „einer Entwicklung ... begegnen, die durch Quasi-Nullwerte letztlich die Voraussetzungen einer modernen Industriegesellschaft in Gefahr bringt“.

Mit solchen Parolen wird die BASF Pech haben. Inzwischen ist auch die Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz in Neustadt aufgewacht. Bis zum 15. Juli muß die BASF - so der Bescheid, ihre Bentazol-Einleitung auf 0,03 mg/l herunterbringen. Danach wird dem Konzern wieder Zeit gelassen: Erst im Oktober 1989 müssen die EG-Werte eingehalten werden.

Den Niederländern geht das zu langsam. Jan Hendrik Bennik, grüner Stadtrat in Amsterdam, plädierte auf der Aktionärsversammlung der BASF im Juni für einen sofortigen Produktionsstopp von Bentazon.