Togos und Kaisers Flagge

■ Strauß vermittelte Hansa-Linie an westafrikanische Billigflagge / Trotzdem ging sie pleite und wird gerade auf Staatskosten saniert / Spezialität: Militärtransporte

1881 wurde sie gegründet, und sie gehörte zu Bremen beinahe wie der Roland: Die „Deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft Hansa“. So traditionsbeladen war die Reederei, daß ihre Schornsteine in den Farben des kaiserlichen Deutschland lackiert waren, obendrein war noch ein Balkenkreuz darauf gemalt, das so aussah wie das „Eiserne Kreuz“. So verziert fuhr die Flotte der DDG Hansa in den siebziger Jahren in die Pleite. Auf wundersame Weise wurde sie 1983 wiedergeboren, und das ging so:

Der Hamburger Reeder Dr. Peter Holtappel hatte seinen Firmensitz gerade von Hamburg nach Bad Schwartau an der Ostsee verlegt, um die dortige Zonenrandförderung für den Gang seiner Geschäfte nutzbar zu machen, da erreichte ihn ein Angebot aus Bremen: Der Senat der Hansestadt stellte ihm Hilfe bei der Ansiedlung und einen billigen Kredit in Aussicht.

Die Holtappel-Schiffe waren mit Ladegeschirr für superschwere Güter ausgerüstet, und die Reederei hatte sich auch auf den Transport solcher Güter spe

zialisiert: Sie fuhr Leopardpanzer zu Schießübungen in die Türkei, transportierte Boden-Luft-Raketen über den Atlantik und fuhr den Nato-Truppen ihre schwergewichtige Ausrüstung hinterher, wann immer sie fern ihres Heimatlandes bei Manövern „zu Gast“ waren.

Daß der Militärtransporter nun in Bremen residierte, war unseren Senatoren nicht genug. Sie boten ihm für seine Reederei „Projekt Carriers“ den Traditionsnamen der alten Hansa-Linie an und überredeten ihn schließlich sogar, die blaßblauen Schornsteine seiner sechs Schiffe in den kaiserlichen Farben lackieren zu lassen. Auch das Eiserne Kreuz durfte schließlich nicht fehlen.

Trotz der solventen Auftraggeber aus den Nato-Stäben ging es der Hansa-Linie immer schlecht. 37,5 Millionen Mark verloren die norddeutschen Küstenländer seit Beginn des Jahrzehnts. Sie mußten für die Schulden der Hansa-Linie geradestehen, für die sie Bürgschaften gewährt hatten. Auch die Bremer Staatswerften SUAG und Vulkan machten Verluste. Sie übernahmen stille Be

teiligungen an Hansa-Schiffen, die sie bauten.

Um seine Kosten zu senken, sah Holtappel sich nach einem billigen ausländischen Schiffsregister um und verfiel auf Togo. Die „deutsch-togolesische Gesellschaft“ vermittelte diesen Handel. Ihre Vorsitzenden sind die beiden Duzfreunde Nyassingbe Eyadema, Staatspräsident von Togo, und Franz Josef Strauß, Ministerpräsident von Bayern. So kam das westafrikanische Land zu einer Schwergutflotte, vorher besaß sie nur ein einziges Schiff. Deshalb gab es in Togo auch ein formelles Flaggenrecht, das im Bonner Verkehrsministerium vorformuliert wurde. So verschwand Schwarz-rot-gold vom Heck, allein die kaiserlichen Farben am Schornstein blieben.

Hört ein solches Schiff, wenn es deutsche Panzer transportiert, denn noch auf deutsches Kommando? Zur „strategischen Einsatzreserve“ dürfen eigentlich nur Schiffe unter deutscher Flagge herangezogen werden. Ein kompliziertes System von Ausnahmegenehmigungen macht es möglich: Auch im „Ernstfall“

wird die Hansa-Linie Bundeswehrgerät transportieren. Zwar auf dem Territorium der Republik Togo, aber dennoch unter deutschem Kommando.

Trotz Billigflagge wäre die Hansa-Linie in diesen Tagen beinahe in die Pleite geschliddert: Auf knapp 170 Millionen Mark belaufen sich die Schulden der Reederei, zuviel für die Zahnärzte und Steuerberater, die ihr Geld in einzelnen Schiffen angelegt hatten und es nun mit der Angst kriegten. Sie wollten die Schiffe versteigern lassen, um wenigstens einen Teil des angelegten Geldes zu retten. Doch rechtzeitig wurde eine zusätzliche Sicherheit von 65 Mio Mark bei einem Bremer Notar hinterlegt. Damit sollen die Gläubiger-Banken abgefunden werden. Der niederländische Großreeder Nedlloyd steigt in die Hansa-Linie ein. Zweiter Großaktionär: die Beteiligungsgesellschaft des Landes Bremen, Hibeg. Die Hansa -Linie kann also weiterfahren: Nato-Waffen im Bauch, die Togo-Flagge am Heck und zulasten des norddeutschen Steuerzahlers.

George Berger / mw