Steuerreform im Kasten

Erwartungsgemäß hat gestern die umstrittene Steuerreform ihre letzte Hürde genommen  ■  Von Kurt Zausel

Berlin (taz) - Die Bonner Politicos können in die Sommerferien fahren. Mit der Mehrheit der Stimmen der CDU -regierten Bundesländer und Bayern wurde am Freitag vom Bundesrat die Steuerreform der neunziger Jahre auf die Reise geschickt. Der Antrag der SPD-regierten Länder Nordrhein -Westfalen, Schleswig-Holstein, Bremen und Saarland blieb auf der Strecke. Genug Zeit also für die leidgeprüften Bundesbürger, sich bis zu Beginn der nächsten Plenarperiode von den täglich aus Bonn vermeldeten Ungereimtheiten und Verschiebestrategien zu erholen.

Erholung bedürfen aber auch die Koalitionäre. Eine von der ARD-Sendung „Bericht aus Fortsetzung auf Seite 2

Bonn“ veröffentlichte Umfrage des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) ergab ein katastrophal negatives Meinungsbild zur Steuerreform. Danach rechnen lediglich neun Prozent der privaten Haushalte damit, daß sie durch die Steuerreform entlastet werden. Diese Zahl ist in keiner Weise unrealistisch, entspricht sie doch etwa dem tatsächlichen Umfang der begünstigten Klientel. Die große Mehrheit der Haushalte besitzt eine beeindruckende Rationalitätshaltung: Sie rechnen nämlich der Umfrage zufolge - realistischerweise - mit einer Mehrbelastung durch steigende Preise, Zinsen und Gebühren.

Die Sitzung des Bundesrates konnte den Eindruck erwecken, es handle sich bei der Debatte um die Steuerreform allein um ein diskurstheoretisches Problem. Während Bundeszählminister Stoltenberg die ungebrochene Chuzpe besaß, von einer „Reform“ und „einem im Ergebnis gerechteren und einfacheren Steuersystem“ zu sprechen, malten die Vertreter der SPD -regierten Länder eine baldige Finanzkrise an die Wand. Insbesondere der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine verwies darauf, daß die meisten Länder und Kommunen die Einnahmeausfälle nicht verkraften könnten. Leistungen im sozialen und kulturellen Bereich sowie in der Gesundheitsversorgung und beim Umweltschutz müßten zukünftig reduziert werden. Lafontaine konnte sich dabei auf einen prominenten Kritiker aus den Reihen der CDU berufen: Der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel hatte bereits im Vorfeld der Bundesratsdebatte mehrfach darauf hingewiesen, die Steuerreform bringe die Kommunen an den Rande des Bettelstabes.

14 Gesetze passiert

Insgesamt hat der Bundesrat gestern 14 vom Bundestag beschlossene Gesetze passieren lassen. Dazu zählen die Anhebung der Abgeordneten-Diäten sowie die steuerliche Begünstigung von Spenden an unabhängige Wählervereinigungen. Gegen den Widerstand von Postminister Schwarz-Schilling beschloß der Bundesrat allerdings Änderungen zum Regierungsentwurf für die Neuordnung der Bundespost. Ein Poststrukturrat soll jetzt den Minister beraten.