Wendehals gebrochen: Kudamm-Rekord

■ Auf dem Kudamm flogen gestern die Löcher aus dem Käse: Größte Polonaise der Welt / Guinness-Buch-Rekord mit über 120.000 Teilnehmern gebrochen / Schulsenatorin Laurien führte das Volk mit Schlagersänger Gottlieb Wendehals zum Freibier

„Das ist unglaublich, was ich hier vor mir sehe!“ schreit der Reporter von Radio-in-Berlin in sein Mikrophon, „hier am Kempinski-Eck ist alles voller Menschen, soweit das Auge reicht, und in fünf Minuten geht sie los, die größte Polonaise der Welt; und Harald Juhnke, Anita Kupsch und Gottlieb Wendehals sind schon auf dem Weg hierher; na, was meinen Sie, liebe Berliner, brechen wir den Weltrekord?“ Der Live-Kommentator blickt hoffnungsvoll vom Dach des Hotels Kempinski auf das Berliner Fußvolk, das sich gleich 120.000mal von hinten mit riesengroßen Schritten an die Schultern fassen soll: Das wäre ein neuer, phantastischer Beitrag der Europäischen Kulturhauptstadt für das „Guinness Buch der Rekorde“. „Na, schaffen wir's? Alle mal mit dem rechten Arm winken!!!“ Etwa zwei von 10.000 Armen heben sich schlapp in die Höhe, doch den Reporter stört das nicht: „Ein Meer von Armen winkt mir entgegen!“, metaphert er drauflos.

Um 15.30 Uhr setzt sich die Polonaise in Bewegung. Juhnke schnappt sich Kupsch, Wendehals marschiert mit Laurien vorneweg. Den vier Promis folgen im Gänsemarsch über 120.000 Hauptgewinner des ersten Preises. In die Schlange all der häßlichen Deutschen haben sich etwa fünf Schwarze gereiht; ein Rennradfahrer steht stumm und staunend an der Bordsteinkante; mehrere motorisierte Rollstuhlfahrer flankieren mit ca. 15 Stundenkilometern den Rekordversuch, und einem einbeinigen Typ, der, am Straßenrand sitzend, einen Westernstiefel am Hacken und einen Cowboyhut auf dem Kopf trägt, wird im Eifer des Gefechts das lauwarme Plastikpils umgekippt. Das Volk lächelt, grinst, feixt, summt, johlt, japst, winkt, wankt, stolpert, hastet; BILD hat gerufen, alle sind gekommen. Die größte Kudamm-Demo aller Zeiten. Wir fordern: Würstchen, Bier, Plastiktüten mit Aufdruck, BZ-Käppis, „Ein Herz-für-Kinder„-Buttons. „Nur noch 2.000!“, wummert es aus den Lautsprecherboxen. „Na los jetzt!“ meiert Herr Schulze Frau Müller an und reiht sich ein, während Herr Krüger nicht reiht, sondern reiert. Aber er war dabei, und „dasisjadiehauptsache, huaalps!“

Der Troß donnert aufs Ziel zu, Wendehals und Laurien marschieren granatenhaft in Richtung Kempi-Eck; wir haben gewonnen! Ein neuer Rekord, aufgestellt mit der großartigen Bevölkerung dieser einzigartigen Stadt, in der, meine Damen und Herren, sicherlich bald die Sonne untergehen wird; und bis dahin, liebe Leserinnen und Leser, übergebe ich mich erstmal vor dem mobilen Funkhaus.

C.C. Malzahn