Islam mit feministischem Einschlag

■ Die türkische Studentin Muna Algan will Musliminnen ihre von Gott gegebenen Rechte bewußt machen / Sie veranstaltet islamische Modeschauen und gründete einen Islamischen Frauensportverein / „Männer müssen den Willen der Frauen achten“

Das Gespräch mit Muna Algan will einfach nicht in eine Unterhaltung übergehen. Die muntere, jugendliche Vorsitzende des „Islamischen Frauenvereins“ stellt keines ihrer Worte zur Diskussion. Daß sie islamische Modeschauen veranstaltet, einen islamischen Frauensportverein gegründet hat, daß sie sich in Ansätzen als Feministin bezeichnet und die Umweltpolitik der Grünen befürwortet, macht ihre Einstellung zum Islam nur scheinbar streitbar. „Der Islam ist etwas Ganzes, das uns vor 1400 Jahren gegeben wurde. Wenn du nur einen Teil davon annimmst, ist etwas mit deinem Glauben kaputt. Daran mußt du dann arbeiten.“

Die 24jährige glaubt genauso an den Teufel, der permanent versucht, die Menschen von Gott wegzuführen, wie an die für Frauen geltenden Bekleidungsgebote als Gottes Wille. In Kopftuch und den für Musliminnen üblichen Mantel gehüllt sitzt sie mir gegenüber. Im Islam sind in Hinblick auf die Bekleidung nicht-muslimische Frauen wie Männer zu behandeln, Musliminnen zeigen sich ihnen nur „bedeckt“. Aus diesem Grund kann ich auch nicht ihren Frauensportverein besuchen. Denn „dann müssen wir unsere Gymnastik-Übungen in Kopftuch und Mantel machen. Normalerweise tragen wir aber nur T -Shirts und Gymnastikhosen.“

Muna Algan wuchs als zweite Tochter in einer streng religiösen türkischen Arztfamilie in Lerthe auf. Vor sieben Jahren zog sie zu ihrem Mann nach Berlin, bekam hier ein Kind und gründete später den heute in der Boppstraße ansässigen „Islamischen Frauenverein“ sowie eine islamische KiTa. Sie schafft mit ihren Aktivitäten genau das, wovon die Ausländerbeauftragte träumt: sie holt die türkischen Frauen aus den Häusern.

Doch anstelle der üblichen „Integration“, die oftmals einen weitgehenden Verzicht der ursprünglichen Identität türkischer Frauen verlangt, beschreitet Muna Algan einen anderen Weg. „Ich will die Frauen für ihre Rechte im Islam bewußter machen.“

Munas Kampf richtet sich vor allem gegen die unzähligen Männer, die Gottes Gebote mißachten. Es sei „totaler Schwachsinn“ zu glauben, daß sich die Frau in jeder Hinsicht dem Mann unterwerfen müsse. Im Gegenteil, es ist seine Pflicht, ihren Willen zu achten. „Ich unterscheide zwischen Tradition und Religion. Die Tradition wurde von der türkischen Gesellschaft erfunden und dient der Unterdrückung der Frau. Der Islam dagegen gibt den Frauen zahlreiche Rechte.“

Bestes Beispiel sei die Heirat mit ihrem streng religiösen Ehemann gewesen. „Ich war damals 16 und ging noch zur Schule. Wäre er traditionell gewesen, hätte er gesagt: 'Sie ist meine Frau und soll von nun an zu Hause bleiben, um mir zu dienen.‘ Da er aber religiös war, ließ er mich Abitur machen und studieren, damit ich Lehrerin werden kann.“ Muna erklärt, daß im Islam Frauen sogar eher studieren können als Männer. „Der Mann ist verpflichtet, das Studium seiner Frau zu finanzieren, denn es ist die Aufgabe des Mannes, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Er muß irgendwie Geld verdienen. Wie - das ist nicht mein Problem.“ Ein anderes Beispiel ist die Bekleidung muslimischer Frauen. Nur das Gesicht, die Hände und die Füße können unbedeckt bleiben. Die Bekleidung darf nicht eng anliegen und nicht durchsichtig sein. „Darunter kann man meinetwegen 'nackt‘ sein. Was aber tun die traditionellen türkischen Frauen? Sie tragen im Hochsommer anstelle eines Mantels aus dünnem Stoff dicke Strümpfe, dicke Pullover und Strickjacken. Abgesehen davon, daß diese Bekleidung unzumutbar ist, wird sie auch vom Koran verboten. Denn man kann den Busen und die Taille sehen. Anstatt zu bedecken, wird hervorgehoben. Dieser Mischmasch macht das Leben zur Hölle.“

Aber warum müssen überhaupt Kopftuch und Mantel getragen werden? „Erstens, weil Gott es so will. Zweitens, damit ich meine Reize verstecke und in den Augen der Männer kein Sexobjekt werde. Meine Schönheit zeige ich nur meinem Mann, der mich auch wirklich liebt. Übrigens dürfen Männer im Islam ebenfalls keine enganliegenden Sachen tragen und damit Frauen reizen. Sehr viele halten sich nur nicht daran. Sie halten sich nur an jene Aspekte im Koran, die ihre Herrschaft über die Frauen sichern.“

In Kopftuch und Mantel setzt sich Muna Algan ans Steuer ihres Autos und fährt zur Uni. Diese Bekleidung macht für eine gläubige Muslimin den Kontakt zu Männern überhaupt erst möglich. Sie ist die Voraussetzung, daß Musliminnen außerhalb des Hauses jenes aktive Leben führen können, was ihnen Muna Algan so inbrünstig wünscht. „Mit dem ganzen Gerede über Freiheit kann ich überhaupt nichts anfangen. Was bringt mir Freiheit, wenn sie Gottes Wille widerspricht. Ich brauche keine Freiheit. Durch den Islam fühle ich bereits die Freiheit in mir.“

Elisa Klapheck