Lauschangriff auf die taz

Generalbundesanwalt bestätigt Abhöraktion im Zusammenhang mit Startbahn-Fahndung / Lauschangriffe, Durchsuchungen und Beschlagnahme von Fotos höhlen den Informanten- und Quellenschutz der Presse aus  ■  Aus Berlin Johannes Eisenberg

Ein gutes halbes Jahr brauchte der Generalbundesanwalt, um die Frankfurter taz-Redaktion über einen Lauschangriff zu informieren: „Gemäß Paragraph 101 Abs. 1 StPO unterrichte ich Sie davon, daß die auf Sie zugelassenen Telefonanschlüsse auf Anordnung des Bundesgerichtshofes in der Zeit vom 23. November 1987 bis zum 30. November 1987 überwacht worden sind“, schrieb der Generalbundesanwalt dieser Tage. Im Dezember hatte Bundesanwalt Senge die taz darüber bereits mündlich informiert.

Am 21.November letzten Jahres veröffentlichte die taz auszugsweise einen Brief von Frank Hoffmann, der damals bereits als Tatverdächtiger im Zusammenhang mit den „Startbahnschüssen“ von der Bundesanwaltschaft gesucht wurde. In dem Brief widersprach Hoffmann den öffentlich gegen ihn erhobenen Verdächtigungen. Im selben Artikel bat die Mutter Frank Hoffmanns ihren Sohn, mit ihr über die taz -Frankfurt Kontakt aufzunehmen. Dies allein reichte der Bundesanwaltschaft und dem Ermittlungsrichter beim BGH, eine Woche lang sämtliche Telefongespräche abzuhören, mitzuschneiden und - dies ist jedenfalls anzunehmen - zu verwerten.

Diese Abhöraktion ist kein Einzelfall: Aufgrund einer kleinen Anfrage im Bundestag wurde kürzlich bekannt, daß 1986 im Rahmen von Ermittlungsverfahren 1.431 Abhöraktionen durchgeführt wurden, 1987 sogar 1.671. Besondere Bedeutung gewinnt der Fall dennoch, weil den Mitarbeitern der taz ein Zeugnisverweigerungsrecht über Informanten und Quellen von der Strafprozeßordnung zugestanden wird. Dies soll dem Vertrauen möglicher Informanten in die Presse dienen. Die Abhöraktion gegen die taz läßt dieses Sonderrecht der Presse völlig ins Leere laufen, zumal weder die taz noch einer der Anrufer auch nur den Hauch einer Chance hatten, sich etwa gerichtlich gegen die Lauschaktion zu wehren.

Der Lauschangriff reiht sich ein in Maßnahmen, mit denen die Strafverteidigungsbehörden den Informanten- und Quellenschutz der Presse umgehen. Im Mai 1987 ließ die Berliner Staatsanwaltschaft die gesamte bei der taz eingehende Post beschlagnahmen, weil darin entwertete Vobo -Bögen vermutet wurden. Was ihr interessant erschien, ließ sie durch einen Ermittlungsrichter öffnen und durchschnüffeln. Ende '87 wurden die taz-Redaktionsräume in Hamburg und Bochum durchsucht. Während der Durchsuchungen war stundenlang kein taz-Mitarbeiter anwesend. Aus dem Zeitpunkt der Durchsuchung mußte man schließen, daß es der Bundesanwaltschaft gerade darauf angekommen war.

Das Bundesverfassungsgericht schließlich entschied 1987 auf eine Beschwerde des ZDF hin, daß auch Fotos von Journalisten von den Ermittlern beschlagnahmt werden können. Das BVerfG verband die Entscheidung mit dem Hinweis an den Gesetzgeber, für einen durchgreifenden Schutz der Presse vor Begehrlichkeiten der Strafverfolgungsbehörden zu sorgen.