Kahle Krieger

■ Tatort, Spuk aus der Eiszeit, 10.7., ARD

Auch in der Tagesschau geht es jetzt immer munterer zu: der Sonntagabend versüßt sich mit einem Bildbericht aus Stuttgart, wo Fischverkaufsstände aus Hamburg für ein besseres Fischimage werben; die Hanseaten tranken schon immer gerne Schwabenwein, möglicherweise bahnt sich da eine kulinarische Partnerschaft an, schwatzt es unbekümmert, fröhlich und wie altersdebil aus dem Kasten heraus. Kaum aber ist der Beitrag zur Bestußtseinserweiterung verglommen, mahnt uns jäh eine Frau Ansagerin zu Ernst und Würde: Ein beklemmendes Kapitel deutsch-deutscher Beziehungen, macht sie uns für den folgenden Tatort die Rezeptoren wäßrig, schürzt das Stimmchen, Menschenraub, und runzelt Ohr und Auge: Drehbuch Erich Loest, ehemaliger DDR-Schriftsteller, DDR -Zuchthaus Bautzen usw. - transpirierend und beklommen nehmen wir Habachtstellung ein, bis uns der Bildschirm aufgespannt wird.

Ein älterer, weißhaariger Mann erscheint, Menkhaus heißt er und hat, so erfahren wir, geschickt verteilt über neunzig Minuten, vor langen Jahren, in schwerer Zeit, Militärspionage betrieben, wurde deshalb im Auftrag der DDR gekidnappt und elf Jahre in Bautzen vergittert. Menkhaus trifft per Zufall seinen ehemaligen Verschlepper, Scholko. Glatze, Mitte Vierzig , wird er einmal treffend beschrieben; gleiches ließe sich allerdings auch von mindestens fünf weiteren männlichen Haupt- und Nebenkräften dieses Kriminal-TV-Spieles sagen. Auch Kurbis, Spediteur und Hintermann beim Menschenrauben, ist Plattenträger wie sein Sohn Falko und sein Rechtsbeistand Dr.Halfterbach, und auch die Gegenseite verfügt mit den Komissaren Stoever und Brockmöller über zwei veritable Kahlköpfe. Menkhaus, vom Wunsch nach Rache gepeitscht, läuft zu Astrid Nicolay, einer ehemaligen Hure, die nun als Aushilfe im Reinigungswesen tätig ist; Nicolay war ebenfalls an der Entführung beteiligt und erpresst regelmäßig Kurbis, wird ihrerseits von Scholko gewürgt, knallt dem eine leere Pulle auf den nackten Schädel, wird dafür mit Fausthieben traktiert und niedergestreckt - Tod aus Versehen, wähnt man bereits, aber ein bißchen wird sie noch gebraucht für den dürren Plot. Und dann doch leblos aufgefunden von Komissar Stoever: nach fünfundzwanzig zäh verschleppten Minuten endlich Manfred Krug, der Grundsympath, auf dem Schirm. Nutzt aber nichts, denn das schale Drehbuch von Erich Loest und die einfallslose Regie von Stanislav Barabas wollen ihm übel. Einal nur darf er schmeckleckernd herumstehen, mampfen, roten Wein schlürfen, kauend erzählen und sinnenfroh den Fernsehkasten sprengen, ansonsten wird er auf einen eierköpfigen Seriösling zusammengestutzt.

Die Geschichte quält sich weiter, Scholko erpresst jetzt Kurbis, dem auch noch sein Sohn an die Firma will, die braven Petermänner ermitteln. Wie sah der Mann aus? Hatte er eine Glatze? Höchstwahrscheinlich, aber man weiß es nicht: Er trug einen Hut. Spannungsarm, wie er ist, steckt der Film immerhin randvoll nützlicher Information: Ein Luftpostbrief nach Griechenland kostet eine Mark. In Hamburg gibt es 193 chemische Reinigungen. Totschlag verjährt, Mord nicht (es sei denn, man hat als anständiger Nationalsozialist seine Pflicht erfüllt, aber davon wird nicht gesprochen). Während des Kalten Krieges hat die DDR etwa eintausend Menschen verschleppt.

Nebenbei beweihräuchert der Autor sich noch ein wenig selber. Da war ich mal mit einem Schriftsteller auf der Zelle. Der wollte die Regierung der DDR stürzen. Das war ein zäher Bursche, läßt er Menkhaus sagen, Das ist ja'n Hammer, muß der Beamte Meyer Zwo witzeln, der ein bißchen wie Götz George bzw. Randalettenhorst Schimanski aussieht und entsprechend den Wilden Mann markiert; an Jan Hammer, der die Filmmusik zu Miami Vice schrieb, soll man da denken, zumal Herr Meyer Zwo auch noch ein Miami Vice -bedrucktes T-Shirt trägt, nein, wie sind wir doch wieder auf der Höhe der Zeit.

Am Ende muß Sohn Kurbis der Mörder gewesen sein, Ich wollte nur meine Mutter schützen, Menkhaus, mit einem feig -feisten Scholko konfrontiert, bricht ins Knie und infarktet. Außer diversen Glatzen glänzt nichts und niemand, die Darsteller holpern und stolpern öde herum, da stelltt der Ohnesorg-Mann Edgar Bessen als Reinigungsbesitzer noch eine regelrechte Top-Besetzung vor.

Gegen die Roheit des Vergessens, die Abtaucher-Gesinnung, die Wer-sitzt-ist-blöde-Haltung, so könnte man freundlich unterstellen, wollte Erich Loest die ganze kulturelle Wucht eines Tatorts werfen. Eine matte Geschichte, flaue Figuren, schlechte Dialoge, flache Einstellungen und Bildausschnitte, Selbstbebauchpinselung und das ständig spürbare Bemühen, den Wunsch nach persönlicher Revanche in allgemeiner Anständigkeit zu verkleistern, haben dem Anliegen des Dichters berechtigten Schaden zu gefügt. Mit Langeweile kann man keinen Kalten Krieg und keinen Blumentopf gewinnen. wiglaf drost