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AKTION

■ "Die Aktion 1911-1918, Eine Auswahl hrsg. von Thomas Rietzschel

Franz Pfemferts „Aktion“ war ganz sicher eine der wichtigsten literarisch-politischen Zeitschriften der Jahre 1911-1932. Vor zwanzig Jahren erschien einmal ein kompletter Reprint. Zu teuer für den Privatmann. Jetzt ist im DuMont -Verlag, in einer Übernahme des Aufbau-Verlages ein Auswahlband erschienen, in dem zu blättern eine Lust ist. Die Auswahl berücksichtigt nur die Hefte der „Aktion“, die bis 1918 erschienen. Natürlich fehlen Texte, die ich gerne darin gesehen hätte - z.B. die kleinen Artikel von Hedwig Dohm - , aber was ist das angesichts derer, die man jetzt nachlesen kann? Daß es in Deutschland einmal eine „Antinationale Sozialistenpartei“ gab, hatte ich nicht gewußt. 1915 wurde sie von der „Aktion“ gegründet. Albert Ehrenstein, Franz Pfemfert, Carl Zuckmayer waren u.a. Mitglieder. „Es lebe das grenzpfahllose Land der arbeitenden Menschheit! Hoch die sozialistische Weltrevolution!“ Carl Sternheim schrieb im November 1918 in „Die deutsche Revolution“:

„Aber dieser deutsche Arbeiter, der heute revolultioniert, heute gegen die Prinzipien der bis hierher herrschenden Klassen aufbäumt, ist nie aus dem ganz Deutschland besitzenden kapitalistischen circulus vitiosus herausgetreten, sondern hat sich, innerhalb des Systems zwar streitend, doch durchaus mit ihm entwickelt. Es ist ihm nie und nirgends, in keinem Wort und keiner Geste seiner Führer eingefallen, die Methoden des deutschen Geschäfts selbst einmal auf ihren geistigen Inhalt zu prüfen, sondern er hat dieses Freibeutertum einfach akzeptiert und nur zugesehen, für seine Person nach Kräften am Geschäft teilzunehmen und den Staat, der der bewaffnete Schutzengel des Ganzen ist, mit zu beherrschen.“

Neben der großen Politik gibt es auch einen „Besuch im Irrenhaus“, eine „Naturgeschichte des deutschen Philisters“, einen „Kurszettel der meistgehandelten deutsche Dichter“ und natürlich jede Menge Gedichte und Erzählerisches. Die Kurse werden angeführt von den „Schweren Bürgerwerten“. Da an allererster Stelle unangefochten Gerhart Hauptmann, dann Dehmel, Thomas Mann und Halbe. Bei den Impressionisten stehen Altenberg und Schnitzler an erster Stelle, dann Hermann Bahrt und gleich dahinter schon Robert Walser. Franz Kafka kommt auch vor. Er liegt in der Schublade „Humanismus“. Kurt Pinthus kleiner Text „Über Kritik“ aus dem Jahr 1917 klingt als wäre er vom Größenwahnsinn der 68er, die nach ihren Weltumsturzräuschen heute sich als Literaturkritiker durchschlagen, beflügelt: „Im Kritiker fügt sich der künstlerische und der politische Mensch zu vollkommenster Harmonie. Das ist sein tragischer und zugleich beglückender Beruf.“ 1912 schrieb Pfemfert angesichts der italienischen Kriegsbegeisterung: „Er scheint unheilbar, Europas Wahnsinn. Was gibt uns das Recht, von dem Fortschritt einer Menschheit zu faseln, die ihre erbärmlichsten Instinkte mit Enthusiasmus zur Schau trägt? Die so verbrecherisch ist, das Morden auf Kommando als Pflicht der 'nationalen Ehre‘ auszuschreien. Die als Mut bejauchzt, was fanatische Unwissenheit ist? Was gibt uns das Recht, einem Zeitalter Kultur zuzugestehen, das vor Gespenstern aus grauer Vorzeit auf den Knien liegt.“ Das Deprimierende beim Blättern in Pfemferts „Aktion“: es kam alles noch viel, viel schlimmer.

Die Aktion 1911-1918, Eine Auswahl hrsg. von Thomas Rietzschel, DuMont Buchverlag, 300 Seiten mit zalreichen s/w Abbildungen, 68,-DM

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