Sprengung löste Grubenunglück aus

Staatsanwaltschaft ermittelte Sprengung als Ursache der Kohlenstaubexplosion im Braunkohlebergwerk von Borken / Verdacht erhärtet, daß fehlende Sicherheitsvorkehrungen verantwortlich für das Unglück sind  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Eine Sprengung „im normalen Betriebsablauf“ unter Tage hat die Kohlenstaubexplosion im Braunkohlebergwerk von Borken, bei dem 51 Bergleute starben, ausgelöst. Die Beauftragten neun Gutachter sind davon überzeugt, daß nicht, wie ursprünglich vermutet, glimmende Zigaretten, Schweißarbeiten oder eine Methangasexplosion die Unglücksursache waren. Dieses erste Untersuchungsergebnis legte die Staatsanwaltschaft Kassel gestern, knapp sechs Wochen nach dem Unglück vor. Damit erhärtet sich der Verdacht, daß fehlende Sicherheitsmaßnahmen verantwortlich sind für die Explosion des Kohlenstaubs: In der Grube Stolzenbach gab es keine Meßinstrumente zur automatischen Kontrolle der Konzentration von Kohlenstaub, der nur explodieren kann, wenn eine andere Explosion vorausgegangen ist.

Bereits zwei Tage nach dem Unglück hatte der stellvertretende Leiter des Oberbergamtes Kassel, Wulf Böttcher, gesagt, es bedürfe einer „erheblichen Zündflamme“ um Kohlenstaub zur Explosion zu bringen. Er vermutete damals eine vorausgegangene Gasexplosion, die wiederum möglicherweise durch einen elektrischen Funken, einen Kurzschluß oder eine Sprengung ausgelöst worden sei.

Zwar konnte in der Folgezeit eine auf Methangas zurückgehende, sogenannte Schlagwetterexplosion als Unglücksursache ausgeschlossen werden. Doch es ist bemerkenswert, daß von einer Sprengung nie mehr die Rede war. Bemerkenswert deshalb, weil die Staatsanwaltschaft gestern mitteilte, Auslöser des Unglücks sei eine „um 12.35 Uhr im sogenannten Nordfeld im normalen Betriebsablauf“ durchgeführte Sprengung, mit der die „Strecke zurückgebaut“, (Stollen stillgelegt) werden sollte. Warum dieser Vorgang nicht früher bekannt gegeben wurde, darüber schweigt sich die Staatsanwaltschaft aus.

Auch die Eigentümerin der fast restlos zerstörten Grube, die Preußen-Elektra AG (PREAG), hat kein Sterbenswörtchen über den „normalen Betriebsablauf“ an jenem 1.Juni verlauten lassen. Statt dessen behauptete sie, das Bergwerk habe „allen Sicherheitsstandards genügt“.

Daß dem nicht so war, bestätigten nicht nur Mitglieder der Rettungsmannschaften. Kleinlaut mußte PREAG -Vorstandsmitglied Heinz Cramer eine Woche nach dem schwersten Unglück im Braunkohlebergbau erklären, daß die Kohlenstaubkonzentration nicht automatisch gemessen werde wie im Steinkohlebergbau, sondern ihre Kontrolle „von der Beobachtung der Bergleute abhängig gewesen“ sei. Zu deutsch: sie hingen ihre Nase in die dicke Luft unter Tage.

Auch die anfängliche Behauptung der PREAG und des hessischen Bergamtes, daß es in Braunkohlebergwerken „noch nie“ zu Explosionen gekommen war, mußte korrigiert werden.

Das Endergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wird erst in einigen Monaten vorliegen, erklärte gestern der Leitende Oberstaatsanwalt Walcher. Vorher werde er keine Auskunft über Einzelheiten und die rechtliche Bewertung erteilen. Dabei dürfte es um die Frage der fahrlässigen Tötung von 51 Menschen gehen.