Apotheke im Erdbebengebiet

■ Am Dobben wird gerammt, gebuddelt und gebaggert, bei den Einzelhändlern um den Umsatz gebibbert / Einbußen bis 50 Prozent / Das Straßenloch bleibt bis Sommer 1989

„Als wenn der Zahnarzt bohrt.“ Eine ganz unangenehmes Gefühl beschleicht den Apotheker Hans-Wilhelm Haferkamp, wenn am Dobben die Erde erbebt und er bei ohrenbetäubendem Lärm kein Wort mit Kunden oder Angestellten wechseln kann. Juli in Bremen: Alle Welt fährt in Urlaub, nur die Tiefbauarbeiter haben Hochkonjunktur.

Grundsätzlich gegen die Straßenbauarbeiten ist auch der lärm- und dreckgeplagte Chef der Homöopathie-Apotheke nicht, aber ein bißchen Entgegenkommen der Straßenbauerhätte er schon erwartet. „So würgen die uns ab“ - er fürchtet, daß seinem Geschäft in zwei, drei Monaten finanziell die Luft ausgeht. Eine kleine

Hilfe wäre es schon, wenn die Arbeiter ihre Bauwagen auf dem hundert Meter entfernten Parkplatz abstellen würden, „dann könnte man wenigstens an die Apotheke herankommen und sehen, daß es eine gibt.“

Seit Mitte letzten Monats wird am Dobben gebaut. Das Motiv für die Buddelei scheint durchaus einleuchtend: „Sonst ist's bald vorbei mit dem Scheißen“, sagt ein Bauarbeiter, der mit seinen Kollegen ein kleines Päuschen einlegt. Seit 1892 liegen die alten Kanalrohre unter dem alten Pflaster. Wegen der Baustelle können Straßenbahnen gar nicht, Autos nur einspurig und Radfahrer und Fußgänger nur unter erschwerten Bedingungen passieren.

„Es gibt überhaupt keine Laufkundschaft mehr“, berichtet Petra Matschke, die hinter dem Tresen ihres leeren Modeladens

„MP-Objekt“ steht. Und auch die Kunden von auswärts bleiben weg, denn weit und breit gibt es keine Parkplätze. Wie die anderen Einzelhändler klagt sie über Umsatzeinbußen von 50 Prozent. Bis zum Sommer 1989 müssen sich die Geschäftsleute mit Umsatzeinbußen abfinden oder in Konkurs gehen. Nicht nur Petra Matschke fürchtet: „So kann ich mich nicht über Wasser halten.“

Silke Becker/hbk