Von Fürsten, Frauen und Folterern

■ Kurdische Bremerin gab vielfältiges Sammelwerk über Kurdistan heraus

Auf Demonstrationen bieten kurdische Organisationen gerne meist ebenso hartnäckig wie vergeblich - Broschüren feil, die bis aufs Deckblatt vor Marxismus, Folteropfern und Märtyrern strotzen. Wer als deutsche Demonstrantin um diese Broschüren-Verteiler einen großen Bogen macht, aber dennoch gerne wissen möchte, was es mit diesen ständig bekriegten und diskriminierten KurdInnen eigentlich auf sich hat, warum es die 20 Millionen KurdInnen niemals in ihrer Geschichte zu einem Staat gebracht haben, ob KurdInnen tatsächlich jahrhundertelang immer nur Opfer waren, und wie KurdInnen über zig Länder verstreut - eigentlich leben, ja, die oder der Wißbegierige kann jetzt ein Buch erwerben, das zum Schmökern einläd und unaufdringlich viele Fragen beantwortet.

Yayla Mönch-Bucak hat das großformatige, 123 Seiten starke Sammelwerk herausgegeben. Die kurdische Wissenschaftlerin lebt in Bremen und hat maßgeblich an der Kurdistan -Ausstellung im Überseemuseum mitgewirkt. Das Buch heißt genau wie die Ausstellung „Kurden - Alltag und Widerstand“, doch die Herausgabe des Buches verlief getrennt vom kultussenatorischen Museum. Denn Einsprüche des türkischen Konsulats hatten bewirkt, daß die türkische Militärjustiz im Überseemuseum nur noch auf drei Stellwänden angeprangert werden durfte. Das privat herausgegebene Buch konnte dagegen frei von äußeren Einflußnahmen geschrieben werden, höchstens die zahlreichen Druckfehler zeugen in dem Buch von den zeit -und kräftezehrenden Auseinandersetzungen um den kurdischen „Alltag und Widerstand“ auf den Stelltafeln.

Das Buch ist für 20 Mark im Überseemuseum am Bahnhofsplatz erhältlich. Viele Fotos und Zeichnungen machen es beim ersten Durchblättern zum Bilderbuch: eine Bäuerin beim Schafemelken und eine, die mit einem Mann scherzt. Andächtig lauschende und auch kämpfende Peschmergas (Guerilla-Kämpfer im Irak), ein aufschreckendes Foto von Giftgasopfern, ein beschaulicher historischer Stich von höfisch anmutende Kurden. Den Auftakt des Buches bildet ein Kapitel zur Geschichte Türkisch-Kurdistans. Ausführlich schildert die Autorin die Autonomie der selbständigen kurdischen Fürstentümer, betont die langezeit ungebrochene Loyalität der KurdInnen zu ihrem Stamm, die ein Interesse an einer kurdischen Zentralregierung lange ausschloß. Sie verschweigt dabei auch nicht, daß verarmte kurdische Stämme, deren Autonomie gewaltsam gebrochen worden war, sich mit türkischen Truppen verbinden, um in armenisches Gebiet vorzudringen und später auch, um die armenische Bevölkerung zu massakrieren und zu deportieren.

Andere Aufsätze befassen sich mit der kurdischen Sprache, von der nur die wenigsten Deutschen wissen, daß sie mit dem Türkischen vom Ursprung her gar nichts gemeinsam hat. Es geht auch um die malerischen Bräuche kurdischer Hirten in der Sowjetunion, um die Bestialitäten der irakischen und der türkischen Militär-und Justizapparate, um die Stellung der Frauen und um das Leben in einem Exilland Bundesrepublik. Für deutsche Behörden gibt es keine Kurden, sondern nur Türken, Iraker oder Iraner. Kurdische Kinder werden mit „muttersprachlichem Unterricht“ in türkischer Sprache malträtiert. Nur um das Wirken der kurdischen PolitikerInnen in der Türkei und im Exil geht es in dem Buch nicht, aber wer kann einer schon alle Fragen gleichzeitig beantworten.

B.D.