Der Planet als Managementobjekt

■ Über die Halbierung der Ökologie im Namen der Überlebenskrise

Wolfgang Sachs

Es regnet Berichte über den Zustand des Planeten. Der Gaia -Atlas und der Umweltreport des Worldwatch Instituts liegen in mehr als einem Dutzend Sprachen vor, das Jahrbuch des World Ressources Instituts steht in Griffnähe manches UN -Beamten und der Bericht der Brundtland-Kommission wird allenthalben als Zeuge für eine weltweite Öko-Politik angerufen.

Dankbarkeit scheint angezeigt - und Erleichterung. Endlich wird der Schleier des Schweigens vor der Globalität der Umweltkrise weggezogen, der Blick mittels Datenreihen und Tabellen auf das Panorama von Gefährdungen freigegeben und energisch zum Gegensteuern aufgerufen. Ausgezeichnet. Am Befund ist kaum zu rütteln. Auch drängt die Zeit. Doch, so meine Behauptung, die vorgeschlagene Politik weltweiten Ressourcen-Managements ist auf einem Auge blind: sie ignoriert die Option der Selbstbegrenzung und beschränkt sich darauf, eine neue Ära der Effizienz zu predigen. Damit wird, so zeichnet sich ab, im Namen der Ökologie die Verwestlichung der Welt weiter vorangetrieben, ein (unbeabsichtigter) kultureller Kolonialismus, der letztendlich auch gegen das übergeordnete Ziel, einen Frieden mit der Natur zu finden, ausschlägt. Mittel optimieren, nicht Ziele begrenzen

Auf dem Bild, das die Berichte vom Zustand des Planeten in düsteren Farben malen, sieht man zuallererst eine wachsende Menge von Menschen, die einen zunehmenden Bedarf, gerade auch bei mehr Gleichheit, nach Nahrung, Behausung, Energie oder Gesundheitsdiensten anmelden. Auf der anderen Seite bekommen wir eindrücklich vor Augen geführt, wie die überkommenen Produktionssysteme mit ihrem unstillbaren Durst nach Ressourcen, ihrer Vergiftung der Umwelt und ihren galoppierenden Kosten eben jenes Potential ruinieren, mit dem nur dieser Bedarf befriedigt werden könnte. Die verfügbaren Mittel nehmen ab, während der Bedarf immer drängender wird; was mit kräftigen Strichen ins Bild gesetzt wird, könnte man die globale Entwicklungsklemme nennen. Die Beispiele sind nicht unbekannt: fossile Brennstoffe brauchen innerhalb eines Jahres auf, was die Erde in einer Million Jahre hervorgebracht hat, und überlasten die Atmosphäre mit Kohlendioxid; die Mißwirtschaft mit Wasser zehrt an den Grundwasservorkommen, verschmutzt auf lange Zeiten die Reserven und läßt die Grenzkosten von Wasserversorgungswerken in die Höhe schießen. Und so weiter. Doch das Bild erschöpft sich nicht in Grautönen; vom Horizont her, da schiebt sich ein Lichtstreifen nach vorne. Warum nicht, so wird uns vorgeschlagen, die Grenzen des Wachstums mit einem Wachstum der Grenzen überlisten? Die Berichte kommen darin überein, daß nur eine strenge Musterung der Mittel einen Ausweg aus dem Dilemma weisen kann: weniger schädliche bevorzugen und vor allem pro Einheit mehr herausholen! Erneuerbare Brennstoffe und Energieeffizienz, Recycling und sorgfältiges Management der Wasserreserven etwa sind typische Antworten, die alle auf ein gemeinsames Ideal deuten: das Ideal der ressourcen -effizienten Gesellschaft.

Der clevere Charme dieser Strategie läßt jedoch den zweiten Weg aus dem Dilemma in Vergessenheit geraten. Denn die sich öffnende Schere zwischen wachsendem Bedarf und unzureichenden Mitteln kann ja durch eine Doppelbewegung geschlossen werden: einerseits durch einen sorgfältigen Umgang mit den Mitteln, aber andererseits durch intelligente Beschränkung der Bedürfnisse. Die Umweltreporte verdrängen die zweite Alternative und stürzen sich auf die erste: sie mobilisieren für die Effizienzkur und erheben die Regeln der Betriebswirtschaft zu Leitlinien für nationale und globale Politik. Für sie liegt der Kniff im Übergang von einer output-zentrierten zu einer input-zentrierten Ökonomie, wo nicht Wachstum um jeden Preis, sondern das schlackenlose Wachstum ohne Verschwendung und Verstopfung im Mittelpunkt steht. Optimieren, nicht maximieren, so lautet die Devise von Öko-Experten, und Ingenieure wie Ökonomen können erneuten Spaß an ihrem Handwerk finden, indem sie sich allenthalben daranmachen, den minimalen Input für eine Einheit an Output auszutüfteln.

Doch es rächt sich die Verdrängung der zweiten Alternative. Da die Berichte, so verschieden sie sind, es nur selten wagen, die Ziele der „Entwicklung“ in Frage zu stellen, setzen sie stillschweigend voraus, daß die Kulturen der Welt im steten Verlangen nach mehr materieller Produktion konvergieren. Das gute Leben, so legen sie nahe, läßt sich nur über „Entwicklung“ erreichen; weniger warenintensive, geringer professionalisierte, langsamere Gesellschaften scheinen sie sich nur als defizitär vorstellen zu können. Weil sie keine kulturelle Diversität auf geringerem Niveau materiellen Bedarfs in Betracht ziehen, unterstellen sie unversehens die universale Herrschaft des ökonomischen Weltbilds. Der Blick auf den Globus, den sie vorschlagen, impliziert, daß die Lebensverhältnisse in erster Linie unter dem Imperativ der Produktion, sei es auch der ökologisch rationalen, zu beurteilen sind. Da ihre ökologische Besinnung sich mit einer Effizienzkur für die Mittel begnügt und nicht den stetigen Wachstum der Ziele in Frage stellt, kommen sie nicht umhin, im Namen der Ökologie die Rationalisierung der Welt weiterzutreiben. Ressourcen allenthalben

Die Öko-Entwickler treten an, den konventionellen Ökonomen die Scheuklappen abzunehmen. Hatten diese nicht ganz übersehen, auf Kapital und Arbeit starrend, was die vielen anderen Quellen des Wohlstands sind - von der unbezahlten Tätigkeit der Frauen bis zur stillen Mitarbeit der Natur? Muß man nicht statt dessen die ganze Breite der Faktoren einbeziehen, welche die Erträge und nicht zuletzt das Überleben gewährleisten? Gesagt, getan. Durch die Brille der Berichte gesehen, nehmen plötzlich ganz gewöhnliche Dinge des Alltags eine neue und dramatische Bedeutung an: sie verwandeln sich in wertvolle Ressourcen. Der Kuhdünger etwa, den der senegalesische Bauer verbrennt, um das Wasser im Kessel zu erhitzen, avanciert zu einer Energieressource; der Metallschrott, mit dem der peruanische Slumbewohner seine Hütte baut, nimmt die Würde eines wiederverwertbaren Input an; und die kenianischen Frauen, welche die Felder hinter ihrem Dorf bestellen, werden zu menschlichen Ressourcen für die Nahrungsmittelproduktion erklärt.

In welches Licht werden Dinge (oder Menschen) gesetzt, sobald sie als „Ressourcen“ bezeichnet werden? Offensichtlich wird ihnen Bedeutung zugeschrieben, weil sie für einen höheren Zweck von Nutzen sind. Was zählt, ist nicht was sie sind, sondern was sie werden können. Eine Ressource ist etwas, das seine Erfüllung erst findet, wenn es für etwas anderes gebraucht wird; was immer der Eigenwert, er verflüchtigt sich vor dem Anspruch übergeordneter Interessen. Kein Wunder, in der englischen Sprache wird der Ausdruck „Ressource“ seit etwas mehr als hundert Jahren dafür gebraucht, um die Welt nach Rohstoffen für die Industrie abzusuchen. Seither wurde unsere Wahrnehmung darauf trainiert, beim Anblick eines Waldes Nutzholz, beim Anblick von Felsen Erz, vor einer Landschaft Grundstücke und in Menschen Qualifikationsträger zu sehen. Was man eine „Ressource“ nennt, ist unter die Jurisdiktion der Produktion gesetzt. Das altmodische Synonym enthüllt die verborgene Bestimmung: was anderes kann man mit „Rohmaterialien“ tun, als sie in einem Fertigungsprozeß zu vollenden? Allerdings läßt nicht jeder produktive Nutzen die Dinge im Licht von Ressourcen erscheinen. Ein Bauer in Gujarat mag seit alters Kuhfladen auf seiner Parzelle ausstreuen, doch zur Ressource werden sie erst im Rahmen der nationalen Produktion. Es sind die nationalen (und globalen) Rechnungsbücher, in denen Ressourcen spezifiziert, gemessen und nach ihrer Produktivität bewertet werden; es ist die Qualität, zum Bruttosozialprodukt beizutragen, was eine Ressource ausmacht. Allenthalben Ressourcen zu erblicken, heißt, immer mehr Dinge für den Zugriff des nationalen Wirtschaftsinteresses zugänglich zu machen.

In einer nicht-ökonomischen Sichtweise hingegen, nimmt die Natur häufig eine Bedeutung an, die sie gegen Ansprüche auf unbegrenzte Verfügbarkeit resistent macht. Zum Beispiel in einem Hindu-Dorf, da findet sich immer ein heiliger Baum oder ein Hain, die abzuholzen, das Dorf machtvollen Schutzes berauben würde, weil in deren Schatten die Götter wohnen. Oder: solange Erzlager, von Potosi bis Goslar, als Schoß der Mutter Erde gelten, wo langsam die Metalle heranreifen, war Ehrfurcht geboten und mehr als eine Zeremonie, bevor man es wagte, hinabzusteigen und der Erde ihre Früchte wegzunehmen. Auch die nordamerikanischen Cree mußten, bevor es zur Jagd ging, sich erst der Mitarbeit der Natur mittels Gaben und Riten versichern, um die Tiere im Dialog davon zu überzeugen, sich den Jägern anzubieten. Wo die Natur als beseelt verstanden wird, ist ihrer Verfügbarkeit durch den Menschen eine innere Grenze gesetzt; da den Bäumen, Bergen und Tieren eine eigene Identität zukommt, wird ihre Ausbeutung gleichsam zur Verhandlungssache.

Wie auch immer in einer Kultur die Eigengestalt der Dinge wahrgenommen wird, sie jedoch „Ressourcen“ zu heißen, räumt jene innere Grenze weg und öffnet sie für den Eingriff von außen. Wasser, Boden, Tiere oder Menschen als Ressourcen zu begreifen, begründet sie als Objekte, die nach Management durch Planer und Preiskalkulation durch Ökonomen verlangen. Ein solcher ökologischer Diskurs endet damit, der famosen Kolonialisierung der Lebenswelt weiteren Vorschub zu leisten. Niemals genug

Natürlich zeigt die Uhr fünf vor zwölf. Oder sogar schon darüber. Es schrillen die Alarmglocken, ob bei Gaia, bei Worldwatch oder bei Brundtland. Nichts weniger, so wird gewarnt, als das Überleben des Planeten ist in Gefahr. Die Botschaft verdient keinen Zweifel. Doch die Folgerung ist höchst zweischneidig: „Überleben sichern“ wird zum Leitziel aller verantwortlicher Planung ausgerufen. Hat es jemals eine Gesellschaft gegeben, deren primäre Sorge dem Überleben galt? Wahrscheinlich nicht. Gewiß, Nomaden haben die Flucht vor dem Verdursten gesucht, Florentiner Bürger sich vor der Pest versteckt oder die Soldaten vor Verdun ihre letzten Reserven mobilisiert. Doch wann wurde jemals vorgeschlagen, die Gesellschaft auf kollektives Überleben hin einzurichten? Weder haben frühere Kulturen ihren Fortbestand bewußt aufs Spiel gesetzt, noch aber haben sie ihrem Überleben großartige Aufmerksamkeit gezollt. Was immer ihre Gebräuche und Regeln, was immer ihre Phantasien und Zwangsvorstellungen waren, ihre physischen Existenzbedingungen waren im Zuge ihrer Selbstrealisierung nicht in Frage gestellt. Überleben war nichts weiter als ein Nebenprodukt anderer, möglicherweise großartiger, Kulturleistungen; es war keine wohlgeplante Absicht, sondern eine gegebene Banalität. Jedoch genau in dem historischen Moment, wo größere Reichtümer als jemals zuvor aufgehäuft werden, erheben Öko-Entwickler ihre Stimmen und rufen Bürger und Regierungen auf, die Sicherung des Überlebens an die erste Stelle zu setzen.

Ein kurzer Blick in die Berichte ruft ins Gedächtnis zurück, wie selbstverständliche Fülle dahinschwand und die Überlebensvoraussetzungen zur Mangelware wurden. Während man etwa bis vor kurzem anstandslos davon ausgehen konnte, daß jener grandiose Kreislauf von Verdunstung, Kondensation und Niederschlag die Wasserreserven immer wieder auffüllen würde, ist Frischwasser heute, wegen Überentnahme bei Bewässerung und Verschmutzung durch die Industrie, zum knappen Gut geworden. Oder: seit ewigen Zeiten haben Würmer und Insekten für die Erneuerung der Bodenkrume gesorgt, aber heute lassen Pestizide und Überbeanspruchung allenthalben die Erosion bedrohlich voranschreiten. Und ähnlich läuft es bekanntlich für die globalen Niederschläge (Waldzerstörung), Sonneneinstrahlung (Ozonloch) oder der Temperatur (Greenhouse-Effekt). Zu bröckeln begann die Überlebensbasis, als die industrielle und agrarische Produktion intensiviert und überall auf dem Globus verbreitet wurde. Die Gefährdung der Lebensgrundlagen ist das Ergebnis der umfassenden Identifizierung des guten Lebens mit der Verfügbarkeit materieller Güter.

Eine aufstrebende Generation von Ökokraten, wie man sie nennen könnte, schneidet sich ihren Kompetenzbereich heraus, indem sie sich das rationale Management der knapp gewordenen Lebenselemente vornehmen, aber die knappheitserzeugende Dynamik achselzuckend auf sich beruhen lassen. Mit gehörigem Pathos erklärt das World Ressources Institut auf der ersten Seite seines Berichts 1987: „Die globale Umwelt ist ein vernetztes Gewebe ... Die Menschheit hängt von der Umwelt ab und muß sie deshalb klug managen.“ Das „deshalb“ ist natürlich der springende Punkt: hier wird die Knappheit dessen, was einmal in Fülle da war, besiegelt und zur Basis eines neuen Typs von Management gemacht. Während die Voraussetzung im zitierten Satz für alle Kulturen gilt, offenbart die Schlußfolgerung das verborgene Axiom im ökonomischen Weltbild: undenkbar ist ein Abschluß, oder gar eine Rückführung, des materiellen Wachstums. Es ist nur unter der Herrschaft dieses Axioms, daß Knappheit zum Wesensmerkmal von Wasser, Luft und Boden werden kann. Auf der Basis der damit festgelegten Knappheit der Naturreichtümer gehen Ökokraten daran, die zur kostbaren Ressource gewordene Natur zu vermessen und weltweit die Ressourcenströme zu überwachen und zu steuern. Und es wird all ihr professionelles Talent brauchen, um den prekären Kurs entlang einer optimierten Naturausbeutung zu halten, die nicht die Grundlage zukünftigen Wachstums untergräbt. „Sicherung des Überlebens“ kann zum vorherrschenden Imperativ nur in einer Gesellschaft werden, die nicht davon lassen kann, fortwährend die Grenzen der Natur auf die Probe zu stellen. Für jede andere ist er ohne Belang.

Unter dem Bann des ökonomischen Weltbilds werden aus Bedürfnissen automatisch Ansprüche an materielle Produktion; Haben geht vor Sein. Wer das „Management der globalen Ressourcen“ als Entwicklungsprogramm fordert, unterstellt den weltweiten Sieg dieses spezifisch westlichen Weltbilds. Die vielen möglichen Wege zum guten Leben werden dabei stillschweigend auf die eine Rennbahn zu einem höheren Lebensstandard reduziert. Hätten andere Kulturen immer ihre Energien darauf konzentriert, die Produktion zu maximieren, dann gäbe es weder farbenprächtige Stoffe im Senegal, noch die extravaganten Moghul-Gärten in Indien oder gar gotische Kathedralen in Frankreich. Verschieden wie diese Kulturen sein mögen, sie haben jedoch gemeinsam, nach anderem als in erster Linie nach erhöhter Produktion zu streben und verausgaben ihren Überschuß für nichtökonomische Zwecke. Der Westen hingegen hat sich darauf verlegt, den Überschuß für die weitere Vervielfachung des Outputs zu verwenden; die Umweltberichte gehen davon aus, daß es sich so auf der ganzen Welt verhalten wird. Immer rational

Quer durch die Seiten der Umweltberichte hat man die Gelegenheit, mit Personen von ganz besonderer Moral bekannt zu werden. Es scheint, daß die Utopie einer umweltverträglichen Gesellschaft von einer eher neuen Ausgabe des Homo sapiens bevölkert ist: dem effizienz -bewußten Individuum. Wenn es darum geht, Glasflaschen in getrennten Behältern zu sammeln, offene Feuer mit Öfen zu ersetzen, schonende Bodenbestellung statt tiefes Pflügen oder tröpfelnde Bewässerung statt Kanäle einzuführen, überall soll um der Umwelt willen das Effizienz-Ethos im Alltag beheimatet werden. So vernünftig wie solche Maßnahmen auch immer sein mögen, sie tragen das Knappheitsmanagement bis in jedes Dorf und stoßen sich, gerade in der Dritten Welt, oft mit Gewohnheiten und Haltungen, die mit Effizienz wenig im Sinn haben.

Gewiß, sparsame Haushaltung ist seit alters das klassische Ideal subsistenzorientierten Wirtschaftens. Was ist da nicht alles gesammelt, aufbewahrt, ausgebessert und wiederverwertet worden! Da wurden Lebensmittel eingekellert, Werkzeuge sorgsam gepflegt und Möbel von Generation zu Generation weitergegeben. Auf der einen Seite hat man „sein Sach“ in Schuß gehalten und auf der anderen Seite jedes Geldstück zweimal herumgedreht, bevor es ausgegeben wurde. Obwohl auf den ersten Blick ähnlich, unterscheidet sich doch gute Haushaltung im Ziel wesentlich vom Ethos der Effizienz. Während es sparsamer Haushaltsführung darauf ankommt, Ausgaben niedrig zu halten, um möglichst wenig von den Launen der Geldwirtschaft abhängig zu sein, legt es effizienter Mitteleinsatz darauf an, mittelfristig Kosten zu senken, um Kapital für weitere Investitionen freizubekommen. Der Sparsame möchte sich vor dem Markt um seiner Sicherheit willen schützen, der Effiziente aber Marktgelegenheiten um der höheren Rendite willen nutzen. Ersterer wird von einer Vorstellung vom Guten bewegt, letzterer von einer Vorstellung vom Besseren. Beide Haltungen können sich sehr wohl widersprechen, sobald ein Gewinn an Effizienz nur über Geldaufwand zu haben ist; deshalb mag es der indische Bauer vorziehen, auch weiter seine Kuhfladen zu verbrennen, anstatt sich eine Biogas-Anlage anzuschaffen.

Mehr noch: besagtem Bauer mag das alles recht gleichgültig sein, weil er anderes im Leben wichtiger findet. Die Forderung nach Effizienz verlangt schließlich, nichts ungenutzt zu lassen und den - von Geld, Anstrengung und Umweltfolgen her - am wenigsten aufwendigen Weg zu einem Ziel zu wählen. Unser Bauer zum Beispiel mag gar nicht glücklich über die wasserdichten Dachplatten sein, die eine Entwicklungsagentur eingeführt hat, und mit der Zeit zum Strohdach, das jedes Jahr eine Reparatur braucht, zurückkehren; denn die Dachreparaturen sind der Anlaß für das jährlich wiederkehrende, tagelange Dorffest! Da die Leute ja nicht dumm sind, streben sie natürlich immer danach, ein gewünschtes Ziel auch zu erreichen, das heißt effektiv zu sein. Mit Effizienz aber hat das noch nicht unbedingt etwas zu tun, da auch ein letztlich effektives Handeln in ein Gewebe von anderen Bedürfnissen eingebettet sein kann, die Verzögerungen, Umwege und Verschwendungen nötig machen. Stundenlange Besuchsgänge zu Verwandten oder großzügige Ausgaben für Festlichkeiten sind weitere Beispiele, von denen Entwicklungshelfer ein Lied singen können. Der Aufruf zur Effizienz verlangt jene anderen Prioritäten wegzuschieben, die den einen (technisch) besten Weg behindern, und das bloße Mittel-Ziel-Verhältnis zu privilegieren. Sobald aber dieses Privileg errichtet ist, zählen Mittel eben nur als Mittel; jegliche Rücksicht auf Kontext, Qualität, Stil oder Ästhetik wird irrelevant. In der Tat fußt das Modell des rationalen Verhaltens auf der Voraussetzung, daß die Mittel von jedem Kontext gereinigt sind, denn sie haben nach Maßgabe des höchsten Ertrags austauschbar und nach Maßgabe eines einzelnen Kriteritums, normalerweise Geld oder Energie, verrechenbar zu sein. Effizientes Handeln verbreitet sich auf Kosten von kulturgeleitetem Verhalten; es unterminiert nicht -ökonomische Vorstellungen vom guten und angemessenen Leben.

Den Zustand des Planeten in Begriffen wie „Ressourcen“, „Management“ und „Effizienz“ zu verstehen, mag dem Ökonomen oder dem Regierungsplaner den Einstieg in die internationale Umweltpolitik schmackhaft machen, setzt jedoch Entwicklung als kulturelle Mission des Westens fort. Je mehr die Sprache der Umweltberichte zur gängigen Münze wird, desto schwieriger wird es sein, der Natur Respekt zu zeigen und sie nicht als Ressource zu sehen, die Gesellschaft nach dem gemeinsamen Gut und nicht nach der Produktionskraft einzuschätzen, und Verhalten unter dem Blickpunkt von Tugend und nicht dem von Effizienz zu beurteilen. Die Halbierung der Ökologie zur technischen Effizienzkur führt in eine Falle: während alle Anstrengungen dem Lebensrecht der Natur gilt, droht dabei, das Lebensrecht der Kulturen unter die Räder zu kommen. Und das tut auch der Natur nicht gut.