: Zerstritten, aber solidarisch
Die Anti-Apartheid-Gruppen in der Bundesrepublik: Noch ist es ihnen nicht gelungen, eine breite Bewegung auf die Beine zu stellen / Wenige Aktivisten und viele Soli-Gruppen / Bedenken gegenüber mächtigen Unterstützern wie SPD und Gewerkschaften / Erfolgreich sind die Kaufboykott-Frauen aus der evangelischen Kirche ■ Von Heike Becker
Klein, fein und von Animositäten geprägt, ist es der Südafrika-SoliBewegung in der Bundesrepublik bislang nicht gelungen, eine größere Öffentlichkeit zu mobilisieren. Selbst für die bundesdeutsche Linke ist Südafrika höchstens ein „Nebenwiderspruch“. Die größte Anti-Apartheid -Demonstration, die es je in der Bundesrepublik gab, war eine Kirchentagsveranstaltung: 1987 zogen 40.000 durch das Frankfurter Bankenviertel, sangen christliche Lieder und schwenkten die gelben Tücher des „Kirchentags gegen Apartheid“. Im Gegensatz zur christlichen Friedenskampagne der frühen achtziger blieb aber auch diese Mobilisierung punktuell. Warum ist die Südafrika-Solidarität so schwierig?
An mangelnder Information kann es nicht liegen, Südafrika -Publikationen überschwemmten in den vergangenen Jahren den Büchermarkt. Und die Repression des Botha-Regimes ist inzwischen auch der regionalen Presse eine Geschichte auf der Titelseite wert. Ist etwa unterschwelliger Rasssismus der Grund, daß sich die deutschen Linken eher mit den hellhäutigen Latinos solidarisieren als mit den „Negern“? Eine harte Unterstellung, gewiß, aber der Befreiungskampf im südlichen Afrika scheint für viele in erster Linie ein Rassenkonflikt zu sein. Fehlt doch der bequeme, weil vertraute „Hauptfeind“: Die USA sind im südlichen Afrika „leider“ nicht übermäßig präsent.
Revolutionsträume
Trotzdem funktioniert in der Südafrika-Bewegung die Projektion eigener Revolutionsträume auf ein fernes Land, nur nicht in demselben Maße wie bei der Solidarität mit Nicaragua. So hat die Linke in der BRD, soweit sie sich in der Vergangenheit überhaupt gegen Apartheid engagierte, auch die südafrikanischen Gruppen häufig für ihre eigenen Streitigkeiten instrumentalisiert. Extreme Identifikation mit jeweils einer Strömung nach dem Motto „Meine Gruppe gehört mir“ führte lange Zeit dazu, daß die Soli-Gruppen nicht miteinander sprachen.
Erst in jüngster Zeit hat in der „Bewegung“ - manche AktivistInnen lehnen den Begriff angesichts der geringen Zahl der Engagierten als Euphemismus ab - eine Diskussion über Gemeinsamkeiten ihrer Politik begonnen. Das verstärkte Interesse von Gewerkschaften, Kirchen und der SPD am Befreiungskampf in Südafrika hat Befürchtungen geweckt, die Soli-Gruppen könnten von der „realen“ Politik überrollt werden.
Den größten Einfluß in der Solidaritätsbewegung hat ohne Zweifel die bundesweit organisierte „Anti-Apartheid -Bewegung“ (AAB). Von den rund 800 Mitgliedern in der BRD kommen aber zu den Treffen der Lokalgruppen, die es in 23 Städten gibt, selten mehr als 15 Personen. Kontinuierlich arbeiten noch weniger Mitglieder. In den ersten Jahren lag der Schwerpunkt der Initiative auf der Anklage der militärisch-nuklearen Zusammenarbeit zwischen Südafrika und der BRD, seit 1984 steht die Forderung nach vollständigem Boykott des Apartheidregimes im Vordergrund.
Alleinvertretungsanspruch
In der Blücherstraße in Bonn hat neben der AAB auch die Informationsstelle Südliches Afrika (ISSA) ihr Büro, nach eigener Darstellung die „Anlaufstelle für Informationsbedürfnisse all derjenigen, die wissen wollen, worum es gestern und heute im südlichen Afrika geht“. Die ISSA unterhält eine umfangreiche Fachbibliothek und ein Archiv mit viel „grauer Literatur“. „Erst durch genauere Kenntnisse von Konfliktursachen und Konfliktverläufen wird konkretes Eingreifen möglich.“ Simplifizierungen sind nicht der Fall der ISSA-Leute. Auch aus diesem Grund schwelt seit längerem ein Konflikt mit der AAB, die seit 1976 Mitherausgeberin des 1972 gegründeten 'Informationsdienstes‘ ist.
Die AAB hatte schon auf ihrer Gründungsversammlung 1974 Teile der Freiheits-Charta des ANC in ihr Programm übernommen. Sie hebt die Führungsrolle des ANC und der namibischen SWAPO hervor, mit deren Repräsentanten in Bonn sie eng zusammenarbeitet. Die ISSA-MitarbeiterInnen bestreiten keineswegs die wichtige Rolle des ANC im südafrikanischen Widerstand, einen Alleinvertretungsanspruch lehnen sie aber ab.
Sie teilen allerdings auch nicht die Position des Münsteraner Arbeiskreises Afrika (Akafrik), der, 1968 als Biafra-Komitee entstanden, seine „bedingungslose Unterstützung des gesamten Befreiungskampfes“ betont. In seinen Flugblättern und Publikationen dagegen stehen Organisationen wie die Azanische Volksorganisation (Azapo) und das „National Forum“ (NF) im Vordergrund. Das NF hat seine Wurzeln in der Black-Consciousness-Bewegung der siebziger Jahre, sein Manifest von 1984 nennt als Ziel ein sozialistisches Azania. Träger der Befreiung des Landes können dem NF zufolge nur die unterdrückten schwarzen Arbeiter sein.
In der praktischen Solidaritätsarbeit beteiligen sich die Münsteraner ebenso wie AAB-Gruppen an Bankenaktionen, rufen zum Früchte-Boykott auf und setzen sich seit Anfang dieses Jahres mit Mahnwachen und Veranstaltungen für die „Todeskandidaten in Südafrika, besonders die Sharpville -Six“, ein.
Private Sanktionen
Daimler Benz und andere bundesdeutsche Firmen liefern trotz des 1977 verhängten UN-Waffenembargos Rüstungsgüter an das Apartheidregime. Bezahlt werden sie mit Krediten von deutschen Banken. Der Arbeitskreis „Kein Geld für Apartheid“ mit Sitz in München koordiniert seit mehreren Jahren Aktionen gegen die finanzielle Unterstützung der Apartheid in Südafrika und Namibia. Seit 1983 findet jährlich im Mai der „Bankenaktionstag“ während der Aktionärsversammlung der Dresdner Bank statt, die führend unter den deutschen Großbanken im Südafrikageschäft ist und in Namibia eine Tochter, die Swabank, unterhält. Der Arbeitskreis wird von Einzelpersonen aus Kirchen, Gewerkschaften, SPD und Grünen, der AAB und der Südafrika-Projektgruppe der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (EFD) getragen. Solidarität mit dem Befreiungskampf in Südafrika und Namibia ist traditionell eher ein Thema der kirchlichen, vor allem der evangelischen Basis. Im vorigen März wurde nach heftigen Auseinandersetzungen die Kündigung des Kirchentagkontos bei der Deutschen Bank von der Kampagne „Kirchentag gegen Apartheid“ durchgesetzt.
Seit mehr als zehn Jahren gibt es die Aktion „Kauft keine Früchte aus Südafrika“ der evangelischen Frauenarbeit. Die populärste aller Apartheid-Kampagnen wurde nach dem Verbot der „Black Consciousness„-Gruppen 1977 von der EFD, dem Zusammenschluß von rund 40 Frauenverbänden, begonnen. In den Boykottgruppen, die es in allen größeren und auch in vielen kleineren Orten gibt, sind vor allem 40- bis 60jährige Haus und Pfarrfrauen aktiv, die für die „Geschwister in Südafrika“ nicht mehr nur beten wollten. Ihren bisher größten Erfolg konnte die Kampagne verbuchen, als vor kurzem Hertie und Kaufhof südafrikanisches Obst und Gemüse aus dem Angebot nahmen, weil der Absatz gegen Null ging.
Die Boykott-Frauen haben einen so alltäglichen Vorgang wie das Einkaufen politisiert. Dieser Ansatz hat ihnen zu einer relativ breiten Bekanntheit verholfen. Anti-Apartheid -Engagement verlangt oft mühsame Kleinarbeit, Recherche, Aufklärung über Daimler oder die Banken oder den Studenten und Wissenschaftleraustausch... Die südafrikanischen Befreiungsbewegungen erwarten nicht „Hoch-die-internationale -Solidarität„-Schlachtrufe, sondern zähe Lobbyarbeit, um deutsche Unternehmen und Institutionen dazu zu bringen, ihre Zusammenarbeit mit dem Apartheidstaat einzustellen. Dabei will „revolutionäres Hochgefühl“ nicht so richtig aufkommen. Vielleicht ist dies ein Grund, daß gegen Apartheid sein nicht schwer ist, etwas gegen Apartheid zu tun dagegen sehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen