Die Bedeutung der christlichen Lehre für den Holocaust muß diskutiert werden

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In der Universitätsstadt Oxford endet heute eine Wissenschaftler-Konferenz „Erinnern für die Zukunft“, die sich mit Fragen zur Bedeutung des Holocausts für die Gegenwart beschäftigte. Im Vordergrund der mehr als 50 Veranstaltungen standen religiöse und religionsgeschichtliche Fragen. Die taz sprach mit der Organisatorin der Konferenz Dr.Elizabeth Maxwell.

taz: Frau Maxwell, was möchten Sie mit dieser Konferenz erreichen?

Elizabeth Maxwell: Zunächst soll in diesem Land ein Bewußtsein dafür hergestellt werden, wie und warum der Holocaust auch für Großbritannien eine Bedeutung hat. Und zweitens hoffe ich, daß wir dazu ermutigen können, daß der Holocaust in Schulen und Universitäten zum Gegenstand von Studium und Lehre gemacht wird. Denn die jungen Leute müssen die Fakten wissen, wenn ihnen Desinformation und Verleugnung - was beides zur Zeit wieder sehr überhand nimmt - begegnen. Sie brauchen einen klaren Bezugspunkt im Wissen. Zur Zeit sind sie verwirrt, wenn sie hören, daß der Holocaust eine Fälschung sei, die Krematorien nur Legende. Das muß aufhören - und es kann nur durch Wissensvermittlung und Erziehung ein Ende finden. Bei der Untersuchung der Gründe für den Holocaust stößt man immer wieder auf die jahrhundertealte Judenfeindschaft durch die christlichen Kirchen. Auch das muß ein Ende haben! Wir hoffen, daß jetzt, wo viele ausgezeichnete Arbeiten, genuine und ehrliche Selbsterforschung auf diese Frage gerichtet sind - zum Beispiel in der Durchforstung der Theologie -, der eingeschlagene Weg beibehalten und vertieft wird. Die gute Arbeit, die da seit 25 Jahren geleistet worden ist, ist zu sehr in der höheren Hierarchie der Kirchen steckengeblieben und dringt noch wenig zur breiten Öffentlichkeit durch. Auch das soll die Konferenz verändern helfen.

War es Ihre Initiative, daß die Frage der Religion hier so sehr im Vordergrund steht?

Alle Christen, die sich mit dem Studium des Holocaust beschäftigen - und auf der Konferenz sind Juden und Christen wohl in gleicher Anzahl vertreten - waren überzeugt, daß die Frage der christlichen Lehre unbedingt angegangen werden muß. Und zwar nicht nur durch Worte. Bisher haben die wenigen, die schon lange auf Revision gedrängt haben, den Kampf innerhalb der Kirchen ziemlich einsam geführt und werden erst langsam anerkannt. Als sich der Bischof von Oxford am Sonntag bei der Eröffnung der Konferenz so positiv zu dieser Frage äußerte, war ich selbst überrascht. Er ist übrigens kürzlich vom Erzbischof von Canterbury zum Vorsitzenden eines Auschusses bestellt worden, der für die anglikanischen Kirchen Richtlinien für die Annäherung von Juden und Christen ausarbeiten soll. So etwas ist seit Heinrich VIII. nicht mehr passiert.

Der christliche Pionier der Holocaust-Studien in den USA A.Roy Eckart hat in seiner Eröffnungsrede gesagt: „Christen sind Anti-Semiten weil sie Christen sind.“ Glauben Sie, daß die Kirchen diesen Satz noch widerlegen können?

Sicher! Darum geht es hier.

Interview: Uta Ruge