Intifadah schwächt Israels Wirtschaft

Der Palästinenseraufstand mit Streiks und Steuerboykott zeigt seine Wirkung / Wirtschaftsminister beziffert Einbußen auf über eine Milliarde Mark / Industrieproduktion um 3,5 Prozent gesunken / Rückgang im Tourismusgeschäft / Israel bittet USA um höhere Militärhilfe  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der israelische Verteidigungsminister Jitzhak Rabin hat kürzlich bei einem Besuch in Washington um eine Aufstockung der US-Militärhilfe von 1,8 Mrd. Dollar auf zwei Mrd. jährlich gebeten. Dieses Ersuchen ist vor dem Hintergrund der Kosten zu sehen, die für Israel durch die Intifadah, den palästinensischen Aufstand in den besetzten Gebieten entstehen. Streiks, vor allem im Baugewerbe, und ein Steuerboykott in der Westbank sowie dem Gaza-Streifen zeigen zusammen mit dem seit dem Frühjahr deutlich zurückgehenden Tourismus ihre Auswirkungen. Dazu kommen die Ausgaben für die aufgestockte Militärpräsenz in den besetzten Gebieten.

Wirtschaftsminister Gad Jakobi von der Arbeiterpartei machte am Anfang der Woche die Intifadah und die politische Unsicherheit für den wirtschaftlichen Rückgang verantwortlich. Er forderte eine Abwertung der israelischen Währung gegenüber dem Dollar und eine Übereinkunft zwischen Regierung, Unternehmern und Gewerkschaften, um inflationäre Auswirkungen einer Abwertung zu „neutralisieren“. Jakobi bezifferte die Einbußen auf insgesamt mehr als eine Milliarde Mark.

Regierungsstatistiken zufolge ist die industrielle Produktion in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 3,5 Prozent gefallen. Importe und Exporte sind in den letzten Monaten ebenfalls deutlich gesunken.

Experten verweisen darauf, daß auch der Rückgang des Tourismus eine Folge des palästinensischen Aufstands und der Repressionsmaßnahmen der Besatzungsbehörden sind, die dem Image Israels im Ausland schaden. Es ist jedoch damit zu rechnen, daß die wirtschaftlichen Kosten des Aufstands und die Ausgaben für die militärischen Einsätze in den besetzten Gebieten weiter steigen werden, da die Intifadah unvermindert anhält.

Als nächste Etappe ist eine Ausweitung des zivilen Ungehorsams und des Boykotts israelischer Waren vorgesehen. Die Bedeutung der besetzten Gebiete als Exportmarkt für Israel wird daher in den nächsten Monaten zurückgehen. Nach den USA waren die Westbank und der Gaza-Streifen in den letzten zwei Jahrzehnten die wichtigsten Exportgebiete Israels.

Die militärischen Besatzungsbehörden, die vor kurzem noch den baldigen Zusammenbruch des Aufstands prognostizierten, haben mitterweile einmal mehr ihre Meinung grundlegend geändert. War im Mai noch von einer „Normalisierung“ der Lage die Rede, so werden jetzt in der Presse „informierte Sicherheitskreise“ mit den Worten zitiert, daß „die Intifadah keineswegs im Abklingen ist und die Lage in den Gebieten ernster wird“. Diejenigen, die Gegenteiliges behaupteten, wollten „ihr Publikum irreführen“. Trotz aller Schwierigkeiten gebe es keine Anzeichen für einen Zusammenbruch des Aufstands. Man müsse vielmehr das Gesamtbild und die Atmosphäre in den besetzten Gebieten im Auge behalten. „Die Aktionen der Armee haben die Zahl der Massendemonstrationen reduziert, aber das Hauptgewicht wurde jetzt auf den zivilen Ungehorsam verlegt“, hieß es aus Sicherheitskreisen.

Auch die Besatzungsbehörden gehen jetzt offenbar davon aus, daß es keine Rückkehr zu den Verhältnissen vor Beginn des Aufstands im Dezember 1987 geben wird. „In den (besetzten) Gebieten sind neue Lebensformen eingebrochen. Gewalttätigkeit wird zur Norm. Auf diese Weise kann die Bevölkerung den Kampf noch auf sehr lange Sicht hin fortsetzen“, kommentierte die Zeitung 'Haaretz‘. „Auf die gemäßigten Kreise wird ein starker Druck ausgeübt, die Zusammenarbeit mit den israelischen Behörden einzustellen. Die Sicherheitsorgane haben den Kampf gegen den Streik der (palästinensischen) Geschäftsleute praktisch aufgegeben. Was den Handelsstreik anbelangt, hat die israelische Seite beschlossen, sich den Spielregeln der Intifadah zu unterwerfen“, hieß es in dem Blatt.

In israelischen Armeekreisen rechnet man nun damit, daß man künftig mehr Schußwaffen einsetzen wird als bisher. Dies erfordere taktische Änderungen in der Vorgehensweise, hieß es kürzlich auf einem Treffen der Stabschefs, die ihre Erfahrungen mit einem halben Jahr Intifadah auswerteten. Auf lobende Worte stieß die „flexible Haltung“ der Armee. Kritisiert wurde demgegenüber, daß es das Militär kaum geschafft habe, selbst die Initiative zu ergreifen und meist nur auf die Aktionen der Palästinenser reagiere.