Managua wirft US-Botschafter raus

Sandinisten erklären US-Botschafter in Nicaragua für unerwünscht / 'La Prensa‘ für zwei Wochen verboten, Radio Catolica unbefristet untersagt /Rechtsopposition gibt antisandinistische Provokationen in Nandaime zu /USA kündigen Gegenmaßnahmen an  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

US-Botschafter Richard Melton und sieben weitere US -Diplomaten wurden am Montag von der nicaraguanischen Regierung zu personae non gratae erklärt und aufgefordert, Nicaragua binnen 72 Stunden zu verlassen. In einem Brief an US-Außenminister Shultz erklärt Nicaraguas Außenminister d'Escoto die Maßnahme mit der ständigen Einmischung des Diplomaten in Nicaraguas innere Angelegenheiten. Gleichzeitig verfügte das Innenministerium die unbefristete Suspendierung des Kirchensenders Radio Catolica und eine zweiwöchige Schließung der Rechtspostille 'La Prensa‘ wegen tendenziöser Berichterstattung.

Die US-Regierung erhob umgehend Protest gegen die Ausweisung ihres Botschafters und erklärte, sie denke über Gegenmaßnahmen nach. US-Außenminister Shultz nannte die Ausweisung eine „absolut ungerechtfertigte Herausforderung“.

US-Botschafter Melton war noch blaß, als er kommentarlos das Büro Außenminister d'Escotos verließ. Für einen US -Botschafter in Lateinamerika, der gewohnt ist, den Präsidenten Befehle zu erteilen, muß der Rausschmiß eine unerträgliche Demütigung sein. Nicaragua hat vor fünf Jahren schon vier Botschaftsfunktionäre ausgewiesen, die verdächtigt wurden, in ein Attentatskomplott verstrickt zu sein. Melton ist aber der erste Missionschef, der im revolutionären Nicaragua zur persona non grata erklärt wird. „Die bisherigen Botschafter wußten sich zu benehmen“, erklärte d'Escoto: „Hier sind wir nicht in Honduras, daß sie uns einen Prokonsul schicken können.“ Melton, der kaum drei Monate im Amt war, hatte es, wie d'Escoto erklärte, als seine Aufgabe gesehen, die Rechtsopposition „zu einer inneren Front zusammenzuschmieden, die die terroristischen Akte der Söldner ergänzen soll“. Tatsächlich sind die Aktivitäten der Rechtsallianz „Coordinadora Democratica“ aggressiver und provokanter geworden. Die Parteiführer gingen in der US-Botschaft aus und ein, als wäre es ihr Klublokal. Und Melton ließ sich gern zu den Veranstaltungen der Rechtsgruppierungen einladen. Zuletzt zu einer Feier des Unternehmerverbandes COSEP in Esteli.

Seither sprechen die Sandinisten vom Melton-Plan, einer Verschwörung, die das Ziel hat, in Nicaragua durch zivilen Ungehorsam und fortgesetzte Provokationen eine Situation des Chaos zu schaffen. Ob dieser Plan nun in dieser Form existiert oder nicht: Derartige Maßnahmen zählen zum Standardrepertoire der CIA gegen unerwünschte Regierungen. Das Faß zum Überlaufen brachte die Demonstration von Nandaime, an der die Assistenten einer Gruppe von US -Kongreßabgeordneten und zwei Funktionäre der Botschaft teilnahmen: bewaffnet mit Videokameras und Fotoapparaten. Die Demo der Coordinadora Democratica wurde Sonntag von der Polizei aufgelöst und artete in eine Straßenschlacht mit Verletzten auf beiden Seiten aus. Das Innenministerium legte nach der Aktion eine Anzahl von Messern und anderen Stichwaffen vor, die den Demonstranten abgenommen worden waren und vermuten lassen, daß ein Zusammenstoß eingeplant war.

Die nicaraguanische Rechtsopposition gab unterdessen zu, daß in erster Linie die Demonstranten für die Krawalle in Nandaime verantwortlich seien. Einige von Fortsetzung auf Seite 2

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ihnen hätten die Polizei „ständig provoziert“, sagte der Generalsekretär der „Demokratischen Koordination“, die zu der Demonstration gegen die Wirtschaftspolitik der Sandinisten und für die Bildung einer „nationalen Notstandsregierung“ aufgerufen hatte, am Montag in Managua.

Mit dem harten Durchgreifen und dem erstmaligen Einsatz von Tränengas gegen Demonstranten hat die Polizei die Grenzen der Toleranz abstecken wollen. Schon lange kann die sandinistische Basis nicht verstehen, warum die Rechtsopposition ungestraft nach einer „Regierung der nationalen Rettung“ unter Einschluß der Contras rufen darf, während die Konterrevolutionäre die Waffenruhe brechen und Zivilisten ermorden. Seit ihrem Treffen mit George Shultz am 30.Juni haben die Contras in verschiedenen Landesteilen Fahrzeuge überfallen. Bei einem Hinterhalt am Samstag töteten sie drei Frauen und verschleppten vier Mitglieder einer Tanzgruppe, von denen sie zwei später ermordeten. Vertreter der Sandinistischen Jugend forderten am Montag am Sarg der 16jährigen Jovana Zavalai „Schluß mit den politischen Freiräumen für die Reaktion“.

Für die zweiwöchige Schließung von 'La Prensa‘ und die unbefristete Suspendierung von Radio Catolica ist wohl die hetzerische Berichterstattung über die Ereignisse von Nandaime nur der letzte Auslöser gewesen. Beide hatten als immer unverhüllter agierende Organe der Konterrevolution den Bogen schon lange überspannt.