Herrenloses London-Taxi

■ Warum ein vornehmer Austin erst wochenlang auf dem Parkplatz eines SB-Marktes und dann ein Jahr in einem Gröpelinger Schupper herumstand

Ein Austin „London Taxi“ ist zweifellos ein begehrtes Objekt. Ein leicht violettes Prachtstück dieser Sorte stand im Frühsommer des vergangenen Jahres auf dem Parkplatz des Selbstbau-Marktes in der Stresemannstraße herum - herrenlos, so zumindest sah es aus. Was für erwachsene Passanten eine Augenweide war, nutzten Kinder ohne Hemmung: Sie öffneten die bei diesem vornehmen Modell nicht verschließbaren Türen und spielten „Taxi“. Nachts müssen größere Kinder auf dem Parkplatz herumkutschiert sein - die Geschäftsleitung des SB -Marktes jedenfalls mußte dann und wann verärgert den Austin wieder auf seinen angestammten, gleichwohl illegitimen Platz zurückschieben. Drei Monate mindestens stand der da, gab der stellvertretende Geschäftsführer gestern verärgert vor Gericht zu Protokoll, man wollte damals das Prachtstück weghaben. Aber die Polizei wollte es nicht haben und auch nicht abschleppen lassen.

Deshalb kam der Kraftfahrer B. gerade recht, der auch seine Freude an dem begehrten Objekt hatte. Er hätte es gern gekauft. Allerdings gab es weder Nummernschild noch Zulassung, und auch die Polizei konnte nicht feststellen, wer rechtmäßiger Besitzer sein könnte. Da schleppte der Kraftfahrer das London-Taxi erst einmal ab - wohin, das schien damals niemanden zu interessieren. Den SBlern war es nur recht.

Gestern nun stand der hilfsbereite Kraftfahrer wegen „Dieb

stahls“ vor dem Bremer Amtsgericht. Er habe unter dem Vorwand, das Fahrzeug abzuschleppen, es sich aneignen wollen, stand in der Strafanzeige. Einen Tag, nachdem es verschwunden war, hatte sich nämlich ein Friseurmeister bei dem SB-Markt gemeldet und als Besitzer ausgegeben. Bei der Adresse, die ihm der Geschäftsführer des Marktes geben konnte, erreichte er niemanden. Am 17. 7. 1987 stellte er Strafanzeige und mühte sich nicht weiter darum, sein Prachtstück zurückzubekommen.

Was er deshalb nicht erfuhr:

Der Austin stand unberührt, so zumindest erklärte es der Abschlepper gestern dem hohen Gericht, in einem Schuppen auf dem AG Weser-Gelände. Und da er seine Personalien hinterlassen hatte, konnte Amtsrichter Klaus Richter keine strafrechtlich relevante „Aneignungsabsicht“ erkennen. Er stellte das Verfahren gegen den Kraftfahrer auf Kosten der Staatskasse ein. Gegen Quittung kann er sich nun, wenn er will, seinen Austin aus dem Schuppen abholen.

„Damit gebe ich mich nicht zufrieden!“, empörte sich hingegen

der Friseurmeister. Er hatte sich zwar ein Jahr lang nicht so sehr bemüht, in den Besitz des anderweitig begehrten London-Taxis zu kommen, schien aber um so mehr interessiert an einer Entschädigung. Dies, so mußte er sich vom Richter belehren lassen, sei nicht Sache des Strafgerichts. Einem Zivilrichter müßte der Friseurmeister vielleicht auch erklären, warum nicht er in den Papieren als Halter (des dort als schwarz beschriebenen) London-Taxis verzeichnet ist, sondern ein Hamburger Teppich-Reiniger.

K.W.