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Rote Stiefel, Bomber oder Badewannen

■ Ein Trend beim „Frauenfilm“ ist nicht in Sicht: Die diesjährige „Feminale“ in Köln war zwar größer und internationaler denn je, doch die Highlights fehlten / „Anything goes“, hieß die Devise - besonders beim Programmblock Erotik und Lust

Ulrike Helwerth

Droht dem „deutschen Frauenfilm“ aus Desinteresse und mangelnder Neugier das Ende? Filmemacherin Jutta Brückner sah schwarz. Doch was „Frauenfilm“ eigentlich ist, darüber gingen die Meinungen genauso weit auseinander wie das Programm der 4.„Feminale“, die vergangene Woche in Köln stattfand. Fünf Tage lang nix als Kino.

Ein ambitioniertes Programm haben die Feminale-Frauen zweifellos zusammengestellt - zumindest, was die Quantität betrifft: rund 120 Kurzfilme, Experimental-, Spiel- und Dokumentarfilme aus acht europäischen Ländern, in Video, Super8, 16 und 35 mm. Damit aber nicht genug. Neben Diskussionsveranstaltungen und Workshops traf sich auch ein „Symposium europäischer Film- und Fernsehfrauen“ (siehe auch taz vom 13.Juli).

Vor vier Jahren hätten sie sich solche Dimensionen nicht träumen lassen: jene kleine Gruppe Kölner Studentinnen der Film- und Fernsehwissenschaften, die einfach mal wissen wollten, „was Frauen so machen“ und daher 1984 an der Uni das erste Festival organisierten. Die Feminale wurde zur Institution, expandierte; 1988, im „Europäischen Film- und Fernsehjahr“, dann der große Sprung, finanziell jedoch ein Reinfall. Gerade mal 300.000 Mark kratzten die Organisatorinnen mit viel Mühe bei europäischen und bundesdeutschen Institutionen zusammen. Gerade genug, um die Unkosten zu decken. Bei unbezahlter monatelanger Arbeit, versteht sich.

Thematisch und formal gibt es bei der Feminale bis heute kaum Beschränkungen. Anything goes, vorausgesetzt, der Film ist unter der Regie einer Frau entstanden und nicht älter als zwei Jahre. Den Festival-Macherinnen geht es nicht um den „explizit feministischen Film“, sondern um eine „Werkschau“, auf der vor allen Dingen unbekannte Filmemacherinnen ihre Arbeiten vorstellen können.

Orientierung bot ein umfangreicher Programmkatalog. Meiner ist voll mit eilig hingekritzelten Randbemerkungen, die meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen sollten: „Ironisch, spritzig, gut!“, lese ich da und: „Müssen Frauen Erotik immer mit Badewannen assoziieren!“ Und Bonmots wie: „Deutsche Frauen wollen am Tag den Bausparer und in der Nacht dem Gangster!“ Aber ehrlich gestanden: Die meisten dazugehörigen Filme sind mir entschwunden in die Tiefen visuell überstrapazierter grauer Zellen.

Dennoch möchte ich einen Film hervorheben, nicht nur, weil mir die - zugegebenermaßen konventionelle - Mischung aus Spiel- und Dokumentarelementen gefallen hat, sondern auch wegen seines politischen Kontextes.

Er heißt „Fireraiser“ und wurde von dem englischen Frauenfilmkollektiv „Twentieth Century Vixen“ (Füchsin) produziert. Er handelt von den Bombardements deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg - vor allem Dresdens - durch die Royal Airforce. Und zwar aus einer Perspektive, wie sie in der offiziellen englischen Geschichte nicht vorkommt: Aus der vaterländischen Heldentat der königlichen Luftwaffe wird ein perfide geplanter Massenmord an der Zivilbevölkerung. Kriegsspiele. „Fireraiser“ rief heftige Reaktionen in England hervor. Ursprünglich für Channel4 produziert, wurde er kurzfristig abgesetzt. Die RAF „Bomber Command Association“ intervenierte bei Maggie Thatcher höchstpersönlich. Gegen die Zensur protestierte wiederum die Gewerkschaft der Film- und FernseharbeiterInnen. Der Fall ging durch die Presse.

Sonstige Highlights? Beim Rumhören entstand der Eindruck, daß viele vieles mäßig bis langweilig fanden. Frühere Festivals seien spannender gewesen. Um so neugieriger wurde dann die Entscheidung der multinationalen Jury erwartet, denn zum ersten Mal wurden auch Preise verliehen: einer für Kurzfilm und einer für Video. Der Videopreis ging an zwei Schweizerinnen, Muda Mathis und Pipilotti Rist für ihren Film „Japsen“, ein verwackelter „Schmuddelvideo“ (Katalog), auf dem in erster Linie rote Stiefel und Strümpfe zu sehen sind, Hunde und eine grüne Wiese. Der Kurzfilmpreis wurde geteilt. Die eine Hälfte bekam der Super8 „Der Mensch ist seines Lebens froh - nicht nur als Embryo“ von Maren Freese aus Berlin. Eine Frau im spielerischen Wechsel von Ruhe und Aktion. Die andere Hälfte kriegte Hermine Huntgeburth aus Hamburg für den 16-mm-Film „Ich warte unten“, eine szenische Auseinandersetzung mit Männergewalt.

Zum Thema Gewalt - in erster Linie sexuelle Gewalt - gab es einen speziellen Block, der einzige nur für Frauen. Ich habe ihn mir erspart, da ich noch ganz benommen war von der „Lust aus der Videothek“: „Frauengefängnis- und Pornofilme“, ein Workshop, materialreich zusammengestellt von Ulrike Zimmermann und Birgit Hein, zwei intimen Kennerinnen des Genres.

Um Lust ging es auch im „Erotik-Block“, der sehr gut besucht war. Da gab es auch zum einzigen Mal Unruhe und Empörung: „Aufhören“, „Schweinerei“. Sie galten dem Video „Lehnen Sie sich zurück ..., erotische Poesie“ von Karin Albers, vor allem aber der Szene „Das schwarze Dreieck“: eine Frau rasiert sich mit einem scharfen Barbiermesser die Schamhaare. Auf dem „Höhepunkt“ fließt eine Menge Blut. Kann das im Interesse von Frauen sein, Selbstzerstörung im Zusammenhang mit Lust zu zeigen? Andere vertraten die Auffassung, daß Sexualität eben nicht nur kuschelweich sei und Frauen sich ihre Gewaltphantasien eingestehen und offensiv, lustvoll und ohne Schuldgefühl damit umgehen müßten.

Ein anderer Film, bei dem es auch ums Schneiden ging, und zwar in viel wüsterer und realistischerer Form, wurde merkwürdigerweise kaum beanstandet: Szenen einer Schönheitsoperation. Mir wurde so übel, daß ich raus mußte.

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