Mit Glücksspirale bewährt

■ Verein für Bewährungshilfe organisiert Norwegen-Tour für straffällig gewordene Jugendliche / Bremer Jugendrichter setzen immer noch auf Knast

Zwei Jungunternehmer haben auf der Landstraße eine Panne. Sie suchen Hilfe und finden eine Landkommune. Vom alternativen Leben ganz begeistert, bleibt einer der beiden gleich dort.

Die sich diese Handlung ausgedacht haben und nun filmisch umsetzen, haben wenig Aussicht,

einmal Unternehmer oder Landkommunarde zu werden. Für viele heißt die sich abzeichnende Perspektive Schulden, Einbruch, Knast, Entlassung, Schulden, Einbruch Knast. Die Autoren des Filmes sind straffällig gewordene Jugendliche, die vom Richter zu Umorientierung und Erziehung zum Verein für Bewährungshilfe geschickt worden sind. Ein halbes Jahr müssen sie nun einmal die Woche nach Gröpelingen fahren und dort in kleinen Gruppen an Projekten teilnehmen, die sich die Sozialpädagogen ausgedacht haben; neben den Filmmachern gibt es zur Zeit eine Gruppe, die Mofas repariert, andere bauen Lautsprecherboxen oder Halogenlampen.

„Schafft die Gefängnisse ab“, steht auf einem gelben Plakat an der Wand im Gruppenraum, eine Forderung die sich der Verein zumindest für Jugendliche auf seine Fahnen geschrieben hat. Ein Ziel, daß zu erreichen ihm eigentlich ein Leichtes sein sollte, denn alle Jugendrichter sind quasi per Amt Mitglieder des Vereins. Doch immer noch wählen Richter aus dem breiten Spektrum der Sanktions

alternativen zwischen Ermahnung und Jugendstrafe den Knast. Die Weisung, sich bei der Bewährungshilfe einzufinden, liegt dabei etwa in der Mitte des Strafrahmens.

„Am Anfang kommen die mit 'ner Distanz“, berichtet ABM -Sozialpädagoge Dietrich Quadt, einer der vier Beschäftigten bei der Bewährungsstelle. Diese Distanz ist auch den drei Jungen anzumerken, die gestern nachmittag zur Vorbereitung auf ein neues Projekt gekommen waren: Mitte August werden sechs Jugendliche mit zwei Pädagogen per Bus ins nördliche Norwegen fahren. Dort haben 1985 Berliner Hochschullehrer ein verlassenes Dorf entdeckt, das nun zur internationalen Jugendbegegnungsstäte ausgebaut werden soll. Vorurteile haben die Sozialpädagogen abbauen müssen, „von wegen Urlaub und so“, sagt Quadt. Ziel der Fahrt: Die Jugendlichen sollen sich bei Renovierungsarbeiten handwerklich betätigen und vor allem Land und Leute kennen- und in der Gruppe lebenlernen. „Die haben Angst, wissen nicht was auf sie zukommt. Ein

Großteil ist ja noch nicht einmal über die Landesgrenzen hinausgekommen.“

Nein, eine Vorstellung von der Welt jenseits Walle, Osterholz oder Huchting haben die Jugendlichen offensichtlich nicht. Als Quadt sie fragt, was sie denn beim Vorbereitungstreffen in Berlin am kommenden Wochenende gerne machen möchten, sagt einer: „Was soll ich denn da machen.“ Einem anderen fällt als Sehenswürdigkeit gerade noch die Mauer ein, die kennt er aus dem Fernsehen. Und der dritte sagt nur: „Dann bin ich das erst Mal in Berlin gewesen.“ Bei sowenig Nachfragen und Anregen bleibt genügend Zeit, Probleme zu besprechen, die den Jugendlichen auf den Nägeln brennen. Wo zum Beispiel das Geld hernehmen, um Paßbild und neuen Ausweis zu bezahlen. Der Verein legt aus.

Auch wenn es dann nach Norwegen geht, wird der Verein vorfinanzieren müssen. Neben den Geldern vom Sozialamt und aus Bußgelderlösen hat der Verein einen Antrag bei der Glücksspirale gestellt, 5.000 der 16.000 Mark zu übernehmen.

hbk