Alo-Hilfe: Eltern sollen zahlen

■ Wer Arbeitslosen-Hilfe beziehen will, muß Vermögen haben / Wenn nicht, liegt er den Eltern auf der Tasche / Arbeitsamt will Gesetzeslücke schließen / Klagen vor dem Sozialgericht

Rund 12.000 Mark an Arbeitslosenhilfe hat die Erzieherin Irmgard Senker (Name geändert) im vergangenen Jahr vom Arbeitsamt erhalten. Mehr als 7.000 Mark will das Amt jetzt wiederhaben. Und das nicht von ihr selbst, sondern von ihrem Vater. Die Arbeitslosenhilfe sei ihr „nur vorläufig“ gewährt worden, schrieb ihr das Arbeitsamt vor wenigen Tagen. Doch Vater Senker will nicht zahlen, sondern es auf einen Rechtsstreit mit dem Arbeitsamt ankommen lassen.

Das wäre dann die vierte Auseinandersetzung zwischen EmpfängerInnen von Arbeitslosenhilfe und dem Arbeitsamt, das Bremer Gerichte in den nächsten Monaten zu entscheiden haben. Denn Irmgard Senker gehört zu den zahlreichen Arbeitslosen, die ihren Eltern nicht auf der Tasche liegen wollen, wenn die Arbeitslosen-Untersützung nach einem Jahr nicht mehr bezahlt wird. Die Arbeitslosen-Hilfe, auf die man/frau dann Anspruch hat, muß das Arbeitsamt nur herausrücken, wenn die Eltern des Arbeitslosen ihn wegen eigener Armut nicht unterstützen können.

Wer sich als arbeitslose Fachfrau im reifen Alter die Peinlichkeit ersparen wollte, von Papa und Mama zu leben, der kam schon vor Jahren auf einen Trick: Er erklärte sich für „vermögend“. Natürlich nur in bescheidenem Rahmen. Denn das auf

dem Antrag auf Arbeitslosenhilfe anzugebende Vermögen durfte 8.000 Mark nicht übersteigen, sonst hat der Arbeitslose kein Recht auf amtliche Hilfe, sondern

ist verpflichtet, seine Rücklagen anzugreifen. Ein Sparstrumpf dagegen, der nur zwischen 2.000 und 8.000 Mark enthält, gilt dagegen als „Schonvermögen“. So

ein mageres Säckel braucht auch ein Empfänger von Arbeitslosen-Hilfe nicht aufzuzehren. Gleichzeitig sind aber die Eltern des „vermögenden“ Arbeitslosen nicht verpflichtet, ihm finanziell unter die Arme zu greifen. Also waren die cleveren Arbeitslosen aus dem Schneider: Die Eltern brauchen nicht - das Arbeitsamt aber muß ihren Lebensunterhalt bezahlen. Die Landessozialgerichte in Niedersachsen und Berlin bestätigten ihnen, daß sie damit in guten Schuhen stehen. Auch die Bundesanstalt für Arbeit gab sich rechtlich geschlagen: Sie verzichtete auf die Revision zum Bundessozialgericht.

Jedoch versuchen die Arbeitsämter schon seit Dezember 1986 auf Umwegen zum Ziel zu kommen: Die Arbeitslosen würden ihr „Schonvermögen“ ja nicht behalten, sondern in der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit verbrauchen, unterstellt die Nürnberger Bundesanstalt in einem Erlaß. Und zwar verzehren die Empfänger von Arbeitslosenhilfe laut Erlaß ebensoviel aus ihrem Sparstrumpf, wie sie von Arbeitsamt an Hilfe bekommen. Wenn der

„fiktive Verbrauch“ (Sprachregelung des Arbeitsamtes) das „Schonvermögen“ aufgezehrt hat, dann sind die Eltern wieder dran.

So geschehen bei Irmgard Senker. Von den 12.000 Mark Arbeitslosenhilfe hätten ihr nur 5.000 zugestanden, meint das Arbeitsamt. Denn „fiktiv“ hat sie mit diesen 5.000 Mark auch ihren Sparstrumpf verjubelt, sodaß ihr Vater wieder unterhaltspflichtig wurde.

Daß die Rechtsfigur „fiktiver Verbrauch“ unseriös ist, mußten sich die Arbeitsämter in Freiburg, Frankfurt und Stade schon von den dortigen Sozialgerichten sagen lassen. Vor dem Bremer Sozialgericht sind in den letzten Wochen zwei Klagen gegen das Arbeitsamt eingegangen. Der Umschüler Wolfgang Schleuder will eine einstweilige Verfügung erwirken, die das Arbeitsamt zwingt, ihm seine Arbeitslosen -Hilfe weiterzuzahlen. Und Vater Senker will die 7.000 Mark, die das Arbeitsamt seiner Tochter zahlte, nicht heraugeben. Hier muß das Amt sich Hilfe vor Gericht holen.

Michael Weisfeld