Die Heiligkeit des Bösen

■ Der zweite Band des Standardwerks über einen, wenn nicht den Nachfolger Nietzsches: Bernd Mattheus‘ fundamentale Georges Bataille-Biographie

Heinz-Georg Kuttner

Vor vier Jahren erschien im Verlag Matthes & Seitz der erste Band über das Leben und Werk des französischen Schriftstellers und Philosophen Georges Bataille. Nun liegt der zweite Band von Bernd Mattheus'„Bataille-Thanatographie“ vor. Die Chronik des ersten Bandes umfaßt den Zeitraum 1897 bis 1939, die des zweiten Bandes den Zeitraum von 1940 bis 1951. Der angekündigte dritte Band soll neben der Chronik von 1952 bis 1962 autobiographische Materialien, eine Synopsis, Bibliographie und Index enthalten.

Es läßt sich bereits jetzt sagen, daß diese minuziöse Arbeit - gestützt auf die Berichte von Verwandten und Freunden, vor allem aber auf unveröffentlichte autobiographische Materialien - die bisher gründlichste Darstellung ist, die über Georges Bataille erschienen ist. Formal eng verwandt mit der unter dem Pseudonym Elena Kapralik 1977 veröffentlichten „Artaud-Chronik“ wird in der Bataille-Thanatographie indes weniger exzessiv zitiert.

Das Verfahren des ebenso dezenten wie sparsamen Kommentierens signalisiert einerseits ein Engagement in Form von leidenschaftlicher Nüchternheit, andererseits eine gewisse Distanz zwischen dem Bio-Thanatographen und seinem „sujet“, das heißt: Indem es Mattheus vermeidet, „Meinungswissenschaft“ zu treiben, gelingt es ihm, nicht in die Rhetorik der Hagiographen zu verfallen, die dazu neigen, den Leser zu überreden und zu bevormunden. Solche bewußte Abstinenz wäre jedoch nicht mit dem Anspruch auf Objektivität zu verwechseln: Wer Mattheus‘ sprachkritische Essays („Jede wahre Sprache ist unverständlich“, 1977) kennt, weiß, daß er der letzte wäre, der an diese Chimäre glaubte - ist doch schon jede Übersetzung „eine“ subjektive Sinninterpretation, jedes Zitat eine Art Stellungnahme, ein Parteinehmen (statt bloß eine willkürliche Selektion). Für die erwähnte Abstinenz entschädigen im Gegenzug die gründlichen Analysen bzw. Lektüren der philosophischen und fiktionalen Werke Batailles. Nach der Ausleuchtung des historischen Kontextes, der Diskussion der jeweiligen zeitgenössischen Rezeption eines Werkes, lädt Mattheus den Leser ein, seinen fesselnden Assoziationen zu folgen, um den grenzüberschreitenden Denker - der den Status eines Wahnsinnigen oder eines Heiligen stets dem eines Spezialisten vorzog - selbst zu lesen (oder unter einem anderen Blickwinkel wiederzulesen).

Der zweite Band stellt die produktivsten Jahre Georges Batailles dar, in denen er Gedichte, Romane, Erzählungen, sein philosophisches und sein ökonomisches Hauptwerk schreibt. Die Lektüre der Chronik vermittelt ein komplexes Bild der unterschiedlichen Entwürfe, bruchstückhafte Notizen und Aphorismen Batailles. Zugleich erfährt man viele Details über das Leben Batailles, das für das Verständnis seiner in den Kriegs- und Nachkriegsjahren entstandenen Schriften erhellend ist. Insbesondere im ersten Drittel der Chronik gelingt es dem Autor, aufgrund tagebuchartiger Notizen zu „Le Coupable“ und „L'experience interieure“ ein genaues Bild der inneren Verfassung und der äußeren Umstände seines Lebens zu zeichnen. Wegmarken der Epoche während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit sind die „Atheologie“, „Die innere Erfahrung“, „Über Nietzsche“, „Methode der Meditation“, die Theorie des Exzesses oder der Verschwendung („Der verfemte Teil“, „Geschichte der Erotik“, „Theorie der Religion“) und die Theorie der Souveränität - Gipfel seines paradoxalen Philosophierens.

In einer Phase innerer (Lungentuberkulose) und äußerer (die Wehrmacht in Paris) Bedrohung kommt die Todessehnsucht Batailles in seinen während der vierziger Jahre verfaßten Schriften und Notizen sehr deutlich zum Vorschein. Von daher wird verständlich, wieso Bataille sich gegen jede dekorativ -gefällige Kunst abgrenzt und nur eine Kunst, die von der inneren Erfahrung der Grundlosigkeit ausgeht, als authentisch betrachtet. Unaufrichtig gilt Bataille jedes Denken und jede künstlerische Tätigkeit, die Aufsehen erregen will und die nicht einen metaphysischen Gedanken enthält, durch den eine Ahnung von der Grundlosigkeit des Lebens spürbar wird.

Der Titel des Werkes lautet „Thanatographie“, das heißt „Schrift des Todes“. Der Verfasser versteht dies im Sinne von Maurice Blanchot als permanente Tötung, Selbstverzehrung des schreibenden Ichs. Diese Negation des Subjekts, diese Tötung des Ichs, diese Entpersönlichung wird bei Bataille in der Verwendung der verschiedenen Pseudonyme offenkundig: Lord Auch, Georges Troppmann, Louis Trente, Dianus, Aristide l'Aveugle. Die Wahl dieses Begriffs - Thanatographie unterstreicht den zentralen Gedanken von Georges Batailles Werk: Die Todesfreude, das Leben auf der Höhe des Todes. Der Tord wird nicht als Antagonist des Lebens verstanden, sondern als sein Luxus, als Bejahung des Hier-und-Jetzt, das sich keinem Vorhaben unterordnet. Bei Entfaltung der disperaten Schriften Batailles wird deutlich, daß dieser von Anbeginn an obsessiv von dem Gedanken des Lebens und auf der Höhe des Todes, der Souveränität, der Hochzeit von Himmel und Hölle, der Verschwendung beherrscht war. An die Stelle des Primats der Sorge um die Zukunft (Welt der Arbeit, der Nützlichkeit, der Vernunft) tritt in seinen Überlegungen das Außersichsein im gegenwärtigen Augenblick (Welt des Spiels, des Gelächters, des Festes, der Erotik, der Religion). Das reine Glück ist für Bataille die Verneinung des Schmerzes und damit die Verneinung der Sprache. Zwar hat die Sprache niemals das reine Glück zum Gegenstand, sondern das Handeln, dessen Ziel es ist, das verlorene Glück wiederzuerlangen. Aber das Wesen der poetischen Sprache ist ihre Verneinung. Indem die poetische Sprache sich gegen sich selbst wendet, tritt an die Stelle der teleologischen Perspektive die der „Chance“, der paradoxen Erfahrung des Glücks im Augenblick. Souveränität wird nur dann erreicht, wenn die Hierarchie der Augenblicke aufgehoben wird, die die Perspektive der Welt der Arbeit vorschreibt. Nach Bataille fordert der Selbstmord der Sprache den Sturz „in die Sprache der Toten, jener, die das Glück zugrunde richtet, die das Glück vernichtet“.

Mit der Wahl der verschiedenen Pseudonyme macht Bataille den Autor, den Besitzer und Rechtsinhaber, den Inbegriff dessen, was einem Text Autorität verleiht, unkenntlich. Er tötet, wie Bernd Mattheus betont, damit den väterlichen Namen und vernichtet das bürgerliche Subjekt. Die Pseudonymie bedeutet kein Versteckspiel und signalisiert auch keinen Identitätswechsel, sondern ist eine „innere Mutation“, bei der ein Ich stirbt und ein Anderer aus dem Tod hervorgeht. Im Nichtwissen des sich selbst vernichtenden Ich werden die einengenden Mauern des Gefängnisses der Existenz zertrümmert.

Der erste Band der Bataille-Thanatographie endete mit der Darstellung der Geheimgesellschaft „Acephale“, die kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs sich auflöste. George Bataille setzte während der Kriegsjahre dieses Experiment alleine fort. Unter dem Pseudonym „Dianus“ erscheint am 15. April 1940 der Artikel „Mesures“. Bataille wählte dieses Pseudonym, weil ihm Dianus als Verkörperung des Baumgottes und König des Waldes „den Reiz einer bärtigen Frau und eines Gottes mit blutüberströmter Kehle zu vereinigen“ schien. Bernd Mattheus assoziiert mit diesem Pseudonym, ähnlich wie mit dem früheren für „L'Histoire de l'oeil“ gewählten Pseudonym „Lord Auch“, die Fusion von Gott (Dieu) und Anus: Der Herrgott auf dem Thron des Aborts. „L'Amitie“, ein Text, den Bataille ebenfalls Anfang der vierziger Jahre schrieb, ist weder Brevier noch Traktat, vielmehr Herausforderung und Zumutung. Trotz des intimen Charakters versteht sich die Initiationsschrift weder als Bekenntnis- noch als Geständnisschrift. In keiner seiner Schriften geht es um Heilsversprechen, um die Verkündung einer Frohen Botschaft oder um Proselytenmacherei. Vielmehr ist es sein erklärtes Ziel, jenseits der Grenzen den Raum des inneren Schweigens zu berühren. In Anbetracht der Erfahrung der Grundlosigkeit alles Seins, die als „Grund“ allenfalls die Caprice anerkennt, verfällt Bataille nicht in Verzweiflung und Resignation, sondern gelangt zu einem befreienden Lachen, das er mit Erkenntnis identifiziert. In „L'Amitie“ entwirft Bataille keine Therapeutik, keine heidnische Soteriologie und keine „ars erotica“, sondern eine Einladung zur „Freundschaft“, die unter dem Zeichen des souveränen und nicht des befriedigten Individuums steht. Bernd Mattheus betont mit Nachdruck, daß Bataille kein Anwalt des gefräßig -konsumistischen Hedonismus und der Libertinage ist, sondern einer für die verschwenderische, ruinöse Leidenschaft. Bei oberflächlicher Lektüre von „Madame Edwarda“ entsteht der Eindruck, als würde Bataille die Topoi der schwarzen Romantik und der Fin de siecle-Literatur wiederholen: Die heilige Hure, die „femme fatale“. Aber es finden sich in „Madame Edwarda“ keinerlei vulgäre oder obszöne Ausdrücke, die Sprache ist, wie der Verfasser schreibt, „angelisch“ rein. In seinem Alltagsleben scheute Bataille ohnehin die verbale Obszönität. Diese Zurückhaltung sowie das Nebeneinanderbestehen von theoretischer und erzählerischer Sprache brechen mit dem Pornogenre. Zentrum der Erzählung ist die Nähe von Souveränität und Obszönität, von Wollust und Tod. Der in seiner Jugend glühende Katholik hat Gott durch den Tod ersetzt und diesen wiederum durch die Frau. Künftig wird er das Bordell zu seiner Kirche erklären.

Mann und Frau finden in der erotischen Begegnung sich als Verwundete wieder, und es gibt nach Bataille keine größere Begierde als die eines Verwundeten für seinesgleichen. Die Öffnung, der erotische Riß, die Nacktheit entsprächen der Erfahrung des Todes, des Untergangs des Ich. Bataille ist nicht an Isolation und Einsiedelei orientiert, sondern an der Wiedererlangung einer tiefen, authentischen Kommunikation, an Zuständen affektiver Souveränität wie Angst und Zittern, Lachen und Weinen. Das „Lachen vor Sterben“ gilt ihm nicht als fatalistische Haltung, sondern als Seinspotenzierung im Verlust seiner selbst: In der Ekstase vor Wollust oder Angst verliert das Individuum jeglichen Halt, den Boden unter den Füßen und versinkt in der Leere und Grundlosigkeit. Ähnlich den deutschen Romantikern und Nietzsche und Klages assoziiert Bataille in seinem in den vierziger Jahren geschriebenen Hauptwerk „L'experience interieure“ den Punkt der höchsten Qual mit dem der höchsten Lust. In sich selbst das zu vernichten, was der Vernichtung entgegensteht, ist die Absicht der inneren Erfahrung Batailles.

Diese Todesfaszination kann nicht mit der „Krankheit zum Tode“ Kierkegaards, mit dem „Sein zum Tode“ Heideggers, mit dem Nirwana Buddhas, auch nicht mit dem „Todestrieb“ Freuds gleichgesetzt werden. Für Bataille bleiben Yoga, Tantrismus, christliche Mystik - die ersten zu exklusiv körperlich, die letzteren zu diskursiv - unannehmbar, da für ihn alle asketischen Wege nichtsouveräne Wege der Ekstase sind. Nach Bataille erschließen weder die Kontemplation noch das Tun, sondern einzig die Entfesselung den Zugang zu einer Erfahrung, die die Basis jeder tiefen Kommunikation und damit Basis sämtlicher sozialen Beziehungen ist. Selbst in Zuständen höchster Entfremdung - wie der heutigen nur auf dem Prinzip der Nützlichkeit basierenden Gesellschaft finden sich Restbestände der souveränen Generosität, der unnützen Verausgabung, der Freundschaft. Die tiefe Kommunikation und nicht das in zeitgenössischen Gesellschaften dominierende Interesse wäre konstitutiv für alle sozialen Beziehungen, da die Menschen sich auf der Ebene der Intimität treffen, die alle miteinander teilen. Die Wahrheit der Welt ist für ihn ein unendliches Spiel verborgener Begierden und Reserven, in dem wir ständig verlieren, da die Zeit ohne Unterlaß uns uns selbst entzieht. Bataille schwebt das Bild des Gottes Kronos vor, der seine eigenen Kinder verzehrt. So ist das einzige, was wir tun können, das Verklären des unentwegten Scheiterns. Wer zum Tun, zum Handeln, zur wirksamen Tätigkeit Zuflucht nimmt, um der menschlichen Ausweglosigkeit zu entfliehen, verspielt die Chance, die Opazität der Dinge durchsichig zu machen, schreibt Bataille in seinem Essay über Proust in „Die Literatur und das Böse“. Dementsprechend käme es nicht darauf an, die Welt zu verändern, sondern sein Denken von der Welt in Unordnung bringen zu lassen: Die Welt als Objekt der Ekstase.

Was den Menschen (homo sapiens) nach Bataille von Anbeginn auszeichnet, ist einserseits die Selbstbeschränkung durch Verbote, andererseits die Überschreitung der Verbote im Spiel, im Fest, in der Erotik, in der Religion, in der Kunst. Für Bataille repräsentieren die Felsmalereien von Lascaux das erste Zeugnis für die Souveränität und Leichtigkeit des menschlichen Geistes. Um Unterschied zum Klischee vom unwürdigen, wilden, halbtierischen Leben der ersten Menschen sieht Bataille in den Schöpfern der Felsmalereien Wesen, die die Endlichkeit ihres Daseins wie auch die Grundlosigkeit der Existenz erfahren und deshalb teils gezittert, teils befreiend gelacht haben. Bereits unsere Vorahnen (60.000 bis 100.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung) dürsteten - über das Gesetz der Selbsterhaltung hinausgehend - nach etwas Wunderbarem, „Sakralem“. Diese Vision einer Tierwelt ist menschlich in dem Sinne, als das Leben, das sie verkörpert, ein gesteigertes ist, insoweit „es schön ist und aus diesem Grunde überlegen, weit über jedes vorstellbare Elend hinaus“. Im Unterschied zu allen Fachdisziplinen gelangt Bataille in seinen heterodoxen Reflexionen zu der Erkenntnis, daß die entscheidende Differenz zwischen Mensch und Tier nicht die Arbeit, die Erkentnnis oder der aufrechte Gang darstellt, sondern die Tatsache, daß der Mensch sich selbst Regeln geben kann, deren Sinn es ist, daß man regelmäßig gegen sie verstößt. Was die Tiere beschränkt, ist die Natur. Niemals beschränkt es sich selbst wie alle menschlichen Wesen. Deren elementare Verbote beziehen sich auf den Tod, die anderen sind mit Geburt und geschlechtlicher Fortpflanzung verbunden. Gegenüber den Toten bestand das Gefühl der Furcht und Ehrfurcht. Die Dinge, die das erschreckte Gefühl von den anderen absondert, galten als geheiligt. Beim Inzesttabu handelt es sich nach Bataille um Vorschriften, die sich auf die Menstruation, das Schamgefühl überhaupt und diejenigen Verbote beziehen, die Schwangerschaft und Geburt betreffen. Die Summe der ethnographischen und historischen Erkenntnisse stimmen darin überein, daß für die uns bekannte Menschheit die Welt der Arbeit etwas vollständig anderes ist als die Welt der Sexualität und das Schattenreich des Todes. Dasjenige, was eine von der Arbeit her bestimmte Ordnung der Dinge störte, was nicht zur Welt der festen und identifizierbaren Dinge gehörte, alles werdende und vergehende Leben, mußte schon früh einen anderen Sinn haben: Es wird entweder als unheilvoll, als verwirrend oder als heilig empfunden. Eine deutliche Trennung zwischen der Erotik und dem Sakralen scheint mir nicht möglich. Zuletzt manifestiert sich im erotischen Überschwang die unveräußerliche Souveränität des Menschen, die keinem Zweck unterworfen ist.

In Anknüpfung an Huizingas Studie „Homo ludens“, die Bataille in der von ihm gegründeten Rezensionszeitschrift 'Critique‘ besprochen hat, betont er, daß alle Formen der Kultur, einschließlich der Religion und der Philosophie, dem Spiel entspringen. Bataille sieht im Spiel, im Sakralen und im Verbot die Herausforderung des Todes. Im Mittelpunkt seines Denkens steht der souveräne Teil des Menschen, der nicht auf das nützliche, ernste Handeln beschränkt werden kann. Zwischen Ernst ud Spiel liegt der Abstand, der das knechtische Bewußtsein vom souveränen Bewußtsein trennt.

Das Kennzeichen des modernen Menschen - gleichgültig, ob Industrieller oder Arbeiter, Staatsmann oder Wissenschaftler etc. - ist nach Bataille die in der Todesfurcht wurzelnde Bereitschaft zur Servilität, zur Subordination unter das Primat der Sorge um die Zukunft. An die Stelle des sinnlosen Spiels (Kunst, Eros, Religion) ist das Prinzip der Nützlichkeit (Arbeit und Vernunft) als pseudosouveränes Prinzip getreten. Hobbys, Tourismus, eine blutleere Literatur und Philosophie deutet Bataille als Reflex „dieser armseligen Menschheit, die die Arbeit dem Tod vorzieht“. Gegenüber der Freizeitgestaltung stellt das authentische Spiel die Entfesselung der Gewalt dar. Das neuzeitliche Spiel des modernen Menschen duldet das Spiel nur, insoweit es zu etwas nütze ist. Die tiefere Wahrheit lautet: „Nur das Spiel ist souverän und das Spiel, das nicht mehr souverän ist, ist nur die Komödie des Spiels.“

Das nicht geringste Verdienst des zweiten Bandes der Bataille-Thanatographie besteht darin, aufgeräumt zu haben mit der klischeehaften Etikettierung Batailles als neuem Mystiker und Irrationalisten (Sartre, Breton) sowie seiner jüngsten Inthronisierung zur Leitfigur der Postmoderne (Jürgen Habermas). Die Bataille-Thanatographie ist keine akademische Studie, die darum bemüht wäre, möglichst viel Sekundärliteratur zu verarbeiten, um zu Ergebnissen zu gelangen, die man in die Wissenschaft vom Menschen einspeisen kann. Es geht Bernd Mattheus nicht um Passepartout-Theorien, nicht um die Befriedigung der Eitelkeiten eines Entdeckers oder Anekdotenerzählers, sondern um die einfühlsame und kongeniale Darstellung dessen, was Bataille bewegt und erschüttert hat.

Bernd Mattheus: Georges Bataille. Eine Thanatographie. Band II: Chronik 1940-1951. Matthes & Seitz Verlag ('Batterien‘ 32), München 1988 (399 Seiten und 56 Abbildungen, 98 Mark)