Mexiko: Der Kampf geht auf der Straße weiter

Linke und Rechte mobilisieren ihre Anhänger / Widerstand gegen den „ungeheuerlichsten Wahlbetrug“ in Mexikos Geschichte / Große Demo in Mexiko-Stadt angekündigt / Zusammenstöße zwischen Regierung und Opposition erwartet  ■  Aus Mexiko G. Aschemann

Mittags, 12 Uhr. Der Kandidat der Nationalen Aktionspartei (PAN) Manuel Clouthier marschiert an der Spitze von etwa 100 Parteigängern entschlossenen Schrittes auf den Palast der schönen Künste im Zentrum von Mexiko-Stadt zu. Vor dem breiten Portal versperren Sicherheitskräfte der Präsidenten -Garde, den Weg. Am heutigen Mittwoch wird um diese Zeit der noch amtierende Präsident Miguel de la Madrid erwartet den „Tag des Juristen“ eröffnen.

Clouthier, Mann der Direkten Aktion, läßt sich durch die Absperrung nicht aufhalten und drängt mit seinen Mannen in die Barriere der Sicherheitsleute. Ein Schieben, Hauen und Stoßen beginnt, die Körper stemmen sich gegeneinander, verknäulen sich wie beim American Football, Schläge und Fußtritte werden ausgeteilt, und die ersten gehen zu Boden. Clouthier, mit seinem voluminösen Körper kann zwei Meter Boden gutmachen. Männer der Gegenpartei haben sich an seinem Gürtel verkrallt, zerren an seinem Jackett und schlagen ihn vor die Schulter. Er verliert einen Schuh, das Hemd hängt aus der Hose, er drängt weiter.

Eine Doppelreihe von Marine-infanteristen in schwarzen Uniformen nimmt Aufstellung, das Gewehr im Anschlag, auf Clouthier gerichtet. Frauen schreien auf, ein Mann gibt hastig einen Befehl, die Infanteristen reißen ebenso hastig die Gewehre herunter.

Clouthier und seine Leute setzen sich und beginnen, Parolen gegen die Regierung und den Wahlbetrug zu rufen. Im Hintergrund steht Innenminister Bartlett und schaut auf die Uhr. Der Bus des Präsidenten fährt vor, Miguel de la Madrid steigt aus und geht mit seinem Gefolge durch das Spalier der Militärs. Der Chor der Pan-Demonstranten schwillt an. Clouthier hält ein Schild in die Höhe „Halten sie ihr Wort, Herr Präsident“. Der Präsident schaut irritiert herüber und beschleunigt seinen Schritt. Später wird er im Innern des Palastes über die saubersten Wahlen der mexikanischen Geschichte reden.

Dieses Happening gehört zum Programm des „zivilen Widerstandes“, das die PAN inzwischen in vielen Teilen des Landes gestartet hat, um - so Clouthier - gegen den „ungeheuerlichsten Wahlbetrug der Geschichte Mexikos zu protestieren“.

Aber nicht allein die PAN hat die Auseinandersetzung um den Ausgang der Wahlen jetzt auf die Straße getragen. Auch das Linksbündnis Nationale Demokratische Front mobilisiert seine Anhänger zur „Verteidigung der Volkssouveränität“. Auf dem „Platz der Solidarität“, richtete der Präsidentschaftskandidat Cuauthemo Cardenas einen Aufruf an alle Parteien und politischen Organisationen, an die Arbeiter und Bauern, an „verantwortliche Staatsfunktionäre“ und an die Streitkräfte, „die Republik zu erneuern und die verfassungsmäßige Ordnung zu retten“. „Wir sind viele Millionen die sich der widerrechtlichen Aneignung der Macht durch die PRI (Partei der Institutionalisierten Revolution) widersetzen werden“. Die Cardenisten haben begonnen, in Fabriken, Stadtteilen und auf dem Lande Komitees zur „Verteidigung der Wählerstimme“ 'zu organisieren. Für Sonnabend ist in Mexiko-Stadt die erste große Demonstration angekündigt.

Aus verschiedenen Bundesstaaten des Landes mehren sich die Nachrichten über Kundgebungen und Aktionen der Oppositionskräfte, besonders aus jenen Regionen, wo der Betrug so drastische Formen angenommen hat wie Raub der Urnen und der Stimmpakete. Nach Zeitungsberichten sind „auf Müllhalden und auf Flüssen schwimmend“ Stimmzettel mit dem Votum für die Opposition gefunden worden.

Zu ernsteren Zusammenstößen zwischen PRI und Regierung auf der einen und den oppositionellen Kräften auf der anderen Seite ist es bisher nicht gekommen. Das kann sich aber sehr bald ändern. Anläßslich der rituellen Huldigung von Salinas, dem Präsidentschaftskandidaten der PRI, durch die drei PRI -Sektoren - Arbeiter, Bauern, Sector Popular (Händler und Freiberufliche) - versicherte der Gewerkschaftsführer dem Gehuldigten die Bereitschaft der Arbeiter, „auf die Straße zu gehen, um den Strategien der Destabilisierung entgegenzutreten“. Die organisierten Schlägertruppen der PRI -Gewerkschaften werden damit ihrem üblem Ruf gerecht.