Zeitweise ein bißchen weniger Gift

Bundesumweltministerium vereinbart mit Kronos Titan: Für zwei Monate weniger Säure in die Nordsee / „Streßfaktor Säure“ soll gemildert werden, damit die Fische nicht an Sauerstoffmangel sterben  ■  Aus Bremen Michael Weisfeld

Von heute an bis zum 15.September darf die Nordenhamer Firma Kronos-Titan nur noch zweimal pro Woche mit ihren Tankern Säure in die Nordsee verklappen - statt 4.800 „nur“ 2.400 Tonnen wöchentliches Gift für die Nordsee. Das hat das Bundesumweltministerium mit der Firma ausgehandelt. Gestern unterzeichnete Minister Töpfer eine entsprechende Abmachung. Auch „National Lead“, die US-amerikanische Muttergesellschaft von Kronos Titan, hat zugestimmt.

Daß das Chemiewerk verdünnte Schwefelsäure in die sterbende Nordsee kippt, erregt Fischer und Umweltschützer schon seit mehr als zehn Jahren. Ins Blickfeld geriet die Firma besonders seit dem Fisch- und Robbensterben im Frühsommer. Damals hat Greenpeace das Auslaufen des Giftschiffes Kronos verzögert. Die Firma stellte die Verklappungen aber nicht ein, sondern kündigte an, daß sie ihre Jahresmenge noch aufstocken werde, weil die Wiederaufbereitungsanlage nicht so früh wie geplant ihre Produktion aufnehmen könne. Davon ist jetzt nicht mehr die Rede.

Die Vereinbarung soll verhindern, daß es im Spätsommer zu einem weiteren großen Fischsterben kommt. Fische verenden, wenn das Wasser zu wenig Sauerstoff enthält. Zur Sauerstoff -Zehrung trägt die Säure zwar nur einen kleinen Teil bei: Das in der Säure gelöste Eisensulfat oxidiert im Wasser und entzieht ihm Sauerstoff. Aber: Die Säure gilt als „Streßfaktor“ für das Leben im Meer.

Daß es in der Nordsee im Hoch- und Spätsommer noch einmal kritisch wird, gilt als sicher: Die zweite Algenblüte beginnt in diesen Tagen; wenn die verblühten Algen faulen, sinkt der Sauerstoffgehalt des Meerwassers dramatisch. 50 Prozent der Sättigung, das gilt als die kritische Grenze für den Sauerstoffgehalt. Deshalb haben das Umweltministerium und Kronos-Titan gestern vereinbart: Wenn die 50-Prozent -Marke unterschritten ist, darf nur noch ein Säuretanker pro Woche sein Gift entladen. Bleibt der Sauerstoffgehalt zwei Wochen lang unter 50 Prozent der Sättigung, dann darf Kronos nicht mehr verklappen, bis die Werte wieder gestiegen sind.

Neu ist an diesem Abkommen wenig. Schon 1982 hat das „Deutsche Hydrographische Institut“ (DHI) als Aufsichtsbehörde der Firma Auflagen gemacht: Wenn der Sauerstoffgehalt unter 50 Prozent abgesackt war, mußte Kronos Titan die Verklappungsfahrten reduzieren und ganz einstellen, wenn die miese Lage eine Woche oder länger anhielt.