Schöner Ansatz zum langweiligen Film

■ Christel Buschmann, Exil-bremerin und Filmemacherin, ist ein netter und intelligenter Mensch, der gut gedachte, aber ziemlich anstrengende Filme für ein Minderheiten-Publikum macht

Ich hatte so gehofft, sie wäre eine blöde, kleingeistig verblasene Kunscht-Schnepfe. Eine von denen, denen nichts Spaß macht, außer der verbitterten Einsicht, daß das Mitgemensch ein kulturlos ungebildeter Dumm-Haufen sei. Ich hätte ihr Ballhaus Barmbek niedergetrötet. Die Welt wär‘ fein, mein Herz wär‘ rein. Da ist die Frau einfach nett.

„Ich habe mir einfach die Freiheit genommen, es so zu machen, wie ich das wollte. Das heißt nicht, daß ich mich rücksichtslos einem Zuschauer gegenüber verhalte, sondern das heißt, daß ich auf die

Zuschauer hoffe, die den Film in seiner radikalen Eigentümlichkeit mögen. Daß das nicht viele sind ist ganz klar. Ich glaube, jeder Filmemacher hört irgendwann auf, sich auf den Geschmack des Publikums einzustellen. Die Hauptkraft eines Filmemachers liegt darin, absolut identisch zu sein mit dem, was er will. Dafür muß er filmischen Ausdruck finden, und zwar den allgemeinsten, ohne sich zu verraten.“

Das sagt Christel Buschmann, Regisseurin von Ballhaus Barmbek, einem Film, den ich definitiv nicht mag. Aber es ist ein schöner Ansatz. Schade, daß Deutsch

Filme zum guten Vorsatz immer etwas anstrengend geraten. So kluge Einsichten bräuchten brilliante Produkte, etwas, das die Opposition von Hoch-und Gemeinkultur niveauvoll rumpelnd aus dem Weg schafft, und ein Lieblingsfilm wird von mir und meinem Nachbarn und dem Bäcker auf der Hemmstraße.

Christel Buschmann aber hat gemacht, was ihr gefällt und nicht mir. Und sitzt einfach dermaßen anständig vernünftig redend in einer genau richtig zu großen Lederjacke über ihren Frühstücksbrötchen im Ambiente, klappert stilvoll mit dezent mächtigem Armschmuck in mein Mikro, spricht auch brav konsequent die ganze Zeit genau da rein, wo es hinmuß, wenn noch etwas Stimme aufs Band soll vor die schöne Hintergrundmusik, weil sie die tückischen kleinen Aufnahmedinger kennt. Hat sie selbst mal benutzt, Literaturkritik gemacht für Die Zeit und konkret und Popkritik auch mal für die Neue Revue. Die zahlt etwas besser.

„Die 'mittelalterlichen‘ deutschen Filmemacher kommen fast alle nicht von Filmschulen. Kluge und Bohm waren Juristen, Hauff und Trotta haben Literatur studiert. Man kann sich Film, die Filmtechnik, auch durch Praxis

beibringen. Wenn man den absoluten Willen hat, Filme zu machen, verschafft man sich auch die Möglichkeit dazu. An den Filmhochschulen wie in München oder Berlin hat man natürlich einen großen Freiraum, was zu lernen. Aber wenn einer da jetzt hingeht und denkt er lernt es, indem er immer nur hört, was die anderen sagen, und das dann beherzigt, dann wird er nie ein Regisseur.“

Christel Buschmann hat Literatur studiert und Sport, in Hamburg, Montreal und München. Sie ist überhaupt viel rumgekommen. Das merkt man ihr an. Bremen, dieses wassergrüne Enten-und-Kaffe-Ding, wo sie zur Schule gegangen ist, ist irgendwie „idyllisch“. Das gefällt ihr. Mir auch. Was mir nicht gefällt ist der Film.

„Ich würde Ballhaus Barmbek eine kleinen, extremen Film nenen, der sich absolut schräg stellt zu konventionellen Erzählweisen. Er hat keine Geschichte, er versammelt nicht Mamas Lieblinge und auch nicht modische Trendaußenseiter, sondern Individuen, die ohne Rücksicht auf Verluste sich selbst darstellen. Für mich sind das lauter kleine Melodramen und die Reduzierung von realen Partikeln auf Kleinstmetaphern„

Für mich sind es kleine billige Abziehfiguren mit einem kleinen, doof vermurkstem Leben, Personalisierung dummdreisten Arroganz, mit der Leute Bewunderung verlangen für ihr niedlich-beschränktes Kompensationsglück in einer rundrum schlechten Welt. Das ist schrecklich.

„Ich achte Gegenmeinungen. Die Schwierigkeit aller realistischen Filme liegt doch darin, daß jeder Zuschauer seine Realität als Erfahrungsmaßstab miteinbringt. Wenn die eigene Realität sich sperrt gegen diese Außenseiter, die im Ballhaus zusammenkommen, dann ist es schwer, den zweiten Schritt zu vollziehen - die Identifikation. Für mich liegt die Identifikationsschiene auch mehr im assoziativen Bereich. Im Ballhaus werden alle Phänomene des Lebens vereint. Es besteht eine absolute Nichtkommunikation. Die behaupte ich nicht, weil ich die behaupten möchte, sondern weil ich sie so empfinde. Und da ist eine Wahrheit, die sich nicht unbedingt so äußert, wie man denkt, daß Wahrheit ein Wert wäre. Die Sentimentalität des Ballhauses mache ich dem Zuschauer natürlich etwas schwer. Aber wenn man Kitsch und Sentimentalität bei so einem Projekt zum Zuge kommen läßt, muß man das stören. Das kann man jetzt

gemein, oder ungeschickt finden, aber einer gewissen zeitweiligen Strapaze wollte ich den Zuschauer schon aussetzen. Ich wollte keinen Freddy-Quinn-Genuß. Ich wollte die Wahrheit dessen, wenn er singt: Heimatlos ist jeder auf der Welt.“

Vielleicht möchte ich genau das lieber nicht. Ich mag keine Wahrheiten, die massenhaftes Trauerkloß-Dasein rechtfertigen. Ich mag glücklich gute Beispiele, nicht die harmonietrunkenen, sondern die bösen Guck-mal-so-geht-das -Vorbilder, die man hinterher in den Arm nehmen möchte und sagen: Hast Du gut gemacht.

„Ich weiß, was ich getan habe. Nur was ich nicht achte und womit ich mich nicht beschäftige ist, wenn Leute über Pfennigwerth sagen: Ich mag den Typen nicht, warum ist das so ein Altfreak. Und das sagt mir dann ein Enddreißiger vom Abendblatt in Jeansklamotten, der sein halbes Leben auf dem Weg zum Altfreak war, und es leider nie geschafft hat.„

Und es macht auch gar nichts, wenn ich, mein Nachbar und der Bäcker aus Findorff den Film vermutlich nicht mögen.

„Solche Filme belasten die Filmbranche überhaupt nicht. Sie sind wirklich billig. Und ihre riskierte Besonderheit proviziert manchmal in einem anderen Kontext eine andere Wahrnehmung. Barmbek etwa hat wider Erwarten das Prädikat 'besonders wertvoll‘ bekommen. Das liegt daran, daß sich dann ein oder zwei total begeistern. Bei so provokanten Reaktionen zwischen ganz toll und ganz schrecklich bekommt man außerdem eine interessantere öffentlichkeit als wenn alle sagen: Das ist ein lieber netter Film.„

Mit solchen Filmen kann man dann letztlich auf dem Kinomarkt zwischen all den USA-Großprojekten (mit vor allem Groß-Werbe-Etat) viel besser konkurrieren. Man geht auf Festivals und sahnt die von der Kommerzindustrie neidvoll beliebäugelten Preise ab. Dann wird man marktgerecht und hat seinen Spaß.

„Man hebt aber nicht ab, als Fimemacherin. Die Wahrnehmung, daß man eine scheinbar bedeutsame Existenz hat, geht einem ja verloren. In dem Moment, wo man was macht, wird das normal, und man hat wieder ganz andere Probleme. Was ich genieße ist, daß ich an einem Beruf angelangt bin, der mir Spaß macht. Mit vielen oder mit wenigen Zuschauern.„

Ja, das ist schön. Wünsch ihr das Beste.

Petra Höfer