Schluffiger Schlafwandler Film

■ „Ballhaus Barmbek“ soll nach „Clockwise“ im Cinema Ostertor anlaufen

„Ach, wissen Sie, Schwester ... und ich bin ganz nüchtern, aber es ist meine innerste Überzeugung: So richtig nach Hause kommt keiner mehr.“ (Hermann Broch, Die Schlafwandler). Ach, wissen Sie, ... und ich bin auch ganz nüchtern, aber es ist meine innerste Überzeugung, der Film zum Motto ist ein ziemlicher Mist.

Ballhaus Barmbek ist einer von den Filmen, von denen man hinterher in kultivierter Gesellschaft nicht sagen darf, wie sterbenselend er einen gelangweilt hat. Damit fällt man leicht durch im feingeistigen Style Council.

Was mich an solchen kunschtmäßig als „Raubzüge durch das Nicht-Materielle“ (Regisseurin Christel Buschmann Zum Film) verkleisterten Filmen am meisten ärgert, ist der gemeine Vorsatz, einen Film zu machen, der möglichst wenig Menschen gefällt. Da verzichtet man erstmal auf so was wie eine Geschichte, das kippt schon schön viele Zuschauer Gähn aus den Kinosesseln. Dann macht man alles nächtens düster, ja, das kommt fein, da kann kein Mensch mehr was erkennen. Dazu ein Haufen nutzlos verstörter Neurotiker (z.T. ortsansässige Laien-Darsteller), die man wiederholt und planlos durchs depressive Ambiente tapern läßt. Garantiert höchstens 100 Zuschauer.

Christel Buschmanns Film Ballhaus Barmbek hat alle Ratschläge des Anders-Filmen-Handbuchs gründlich beherzigt. Es geht um das „Unaussprechliche, Unfaßbare, Unbegreifliche (...), Kitsch oder Kunst und die wahre Trivialität“ (Busch Zum Film). Das reicht völlig. Der Film ist aber genauso verquast wie das, was die Regisseurin damit gemeint hat. Tumbe Lebenskleingeister haben ihre große Nacht in einem heruntergekommenen Ballhaus mit Tischtelefon, Klofrau und Damenwahl (ausgerechnet da, und ist es nicht schön elaboriert lustig, tanzt der Held der Ungeschichte - Jörg Pfennigwerth als Gigolo Jörg Pfennigwerth - mit einem jungen Mann, wie epd Film begeistert anmerkt).

Es hätte ein schöner Film werden können über einen kleinen unwichtigen Abend von kleinen unwichtigen Menschen in einem Heute-nacht-versuchen-wir-es-nochmal-Ballhaus. Es ist ein Film geworden über sich dämlich selbst inszenierende Menschen, die sich für das Allerwichtigste unter Barmbeks großem Tangohimmel halten, die ständig blödes Zeug quatschen („Wünsche sind nur schön, so lange sie unerfüllbar sind“), manchmal singen sie es auch oder reden in Versen. Das ist gut.

Als ordentlich elitäres Gut-gelangweilt-Theaterstück wären Plot und Dialoge (eigentlich Monologe, aber der arme Gigolo muß sich den angesammelten Scheiß ja immer anhören und ein paar stereotyp blöde Rückmeldungssprechakte absondern) ganz nett. Als Film ist es ein mit den intellektuellen Versatzstücken von Liebe und Leidenschaft (Travestie, Blues, Seemanslieder) absichtlich zugeklotzte Spaß-für-Minderheiten-Programm.

Jürgen Pfennigwerth ist ein ganz lockerer Jürgen-Drews -Gigolo. Kiev Stingel ist wenigsten richtig niveauvoll abgedreht (er zitiert eigene Gedichte). Ulrich Tukur singt 1 lustiges Seemannslied. Dann noch ein dicker Elvis-Imitator, eine ganz dicker Elvis-Imitatorin, zwei likörtrinkende Alles -vergeblich-ich-trau-mich-nicht-und-wenn-ich-mich-trau-geht -alles-schief-Sekretärinnen. Und eine mythenschwangerer Haufen alternder Musik-Legenden (Louisiana Red, Eric Burdon, Nico von Velvet Underground, Edith Piaf). Wenn alles schiefgeht, kann man immer noch behaupten, man hätte einen avantgardistischen Musikfilm gedreht.

When I think of all the good time / That's been wasted having good times / I could have been walking / Instead of complaining /I could have been gaining / Good times

singt Eric Burdon Böses ahnend zum Intro. Ich hätte auch rausgehen sollen. Es war ausnahmsweise mal gutes Wetter.

pH

Cinema, voraussichtlich ab 21.7.