GUTGELAUNTE RIESEN

■ Les McCann / Eddie Harris Group im Quasimodo

Manchen Leuten müßte man vor Konzerten Handschellen anlegen; zwar sind die Zeiten so lausig, daß schon Lebensäußerung als positiv firmieren darf, aber das dumpfe Zusammenbappen der Handinnenflächen, möglichst noch neben dem Takt, ist doch eher eine hilf- wie hirnlose Reaktion auf das, was einem das Leben an Schönheit und Glück vor die Füße schmeißt.

Als „Höhepunkt unseres Jazz in July“ wurden sie vom Chef des Hauses persönlich angekündigt, und als sie dann die Instrumente ein wenig anwärmten und an die feuchte Hitze im überquellenden Quasimodo gewöhnten, geriet ein Gutteil der Gäste bereits außer sich. Ein bißchen Trommelgeknalle, etwas Puste durchs Horn gegeben, und schon war die MeineFressesindwirheutewiedergutdrauf-Fraktion zum künstlichen Leben erweckt.

Später gibt es neben dem Eintrittspreis, der natürlich weggeklatscht werden muß, tatsächlich Grund zur Freude. Les McCann setzt sich ans Klavier und spielt den Blues, federnd, mit der Lässigkeit des alten Könners, schaukelt den Kugelbauch, singt rauh, dann ganz weich und kehlig, lacht, wackelt mit dem weißumkränzten Kugelkopf; Eddie Harris, der am Flügel lehnt, macht einen Schritt nach vorn, nimmt das Tenor zur Brust, sein Ton ist kühl und hell und klar, die Läufe schwingen sich in leichte, luftige Höhen, ganz mühelos, und dann gibt es einen erwartet-unerwarteten Schlenker, den ein anderer eben nicht mehr packte. Eddie Harris bleibt cool dabei, verzieht keine Miene, versteckt die Augen hinter der Sonnenbrille. Es ist ein Spiel; noch kurz vor der Pause nimmt er das Mikrophon, singt und tanzt wie Balu der Bär, I need some money, gurrt, quietscht, läßt die Stimme überschnappen, brummt wieder, wiegt sich, grinst, ein überdimensionales Spielkind mit riesigem Blitzblankschädel. Der Trompeter gibt die weichen Farben dazu, Les McCann wirft immer wieder ungerade Zahlen in die Melodien, Bass und Schlagzeug geben Tänzern die Möglichkeit zur kugellagerrunden Bein-, Hüft- und Beckenarbeit. Es geht nicht um die richtige Richtung oder den richtigen Stil, es geht nur um Musik, die reine Ware, ungestreckt, ohne Zucker, Strychnin oder Waschpulverzusatz, ob man das Funk nennt oder Blues oder Jazz.

Am Donnerstag abend gibt es konventionell gute Musik, entspannt und fließend, in sich ruhend, und sie wird von Leuten gespielt, die mit ihren Instrumenten verwachsen sind. Es ist so federleicht, daß selbst die Ekstase wirkt wie mit links dahingewischt. Try'n to make it real - compared to what schmettert Les McCann, und dann ist da wieder das Lachen eines alten Meisters, der Spaß an sich selber hat und die Leute dafür klatschen läßt.

Alles, was einem die unzählbaren Whompa-Whompa-Bands mit eingefrästem, schimmerndem Lächeln, knallfröhlichem Zigantum und penetranter aufgeklebter guter Laune verekelt haben, erfuhr an diesem Abend seine Rettung. Es ist eben nicht so, daß im Genre der Unterhaltung jeder mal so eben etwas zustandebringt; es braucht im Gegenteil die besten Kräfte.

wiglaf droste