ÄSTHETIK & AKTION

■ Ein Tanzabend mit „Black, Blanc, Beur“ im Tempodrom

Im Tempodrom-Zelt waren ordentlich die Gartenstühle angerichtet und das Rauchverbot sowie der mangelnde Besucherstrom nicht zu übersehen. Bis dahin wußte ich noch nicht, was da überhaupt gleich auf der dunklen Bühne passiert. Irgendwas mit Tanz und so. Mit der Gewißheit, daß es ja nur ca. eine Stunde Zeit in Anspruch nimmt, harre ich auf dem kalten Plastikschemel aus. In der Dunkelheit erscheint dann ein hageres Kerlchen in verhärmten Klamotten und starrt mit diesem typisch südländisch-heißblütigen und stolzen Blick ins Nichts. Im Spotlicht kämpft er gegen die Energie in seinem Körper an, zuckt, stolpert, verkrampft sich, strauchelt und kriecht am Boden entlang. Immer wieder bäumt sich der ausgezehrte, aber durchtrainierte Körper auf, als ob ein innerer Kampf stattfindet. Oh Gott, nicht schon wieder eine Performance, laß diesen Kelch an mir vorübergehen. Dann, im Hintergrund, in eine Art UV-Licht getaucht, ein Wirrwarr von Figuren, aneinandergeklammert, die sich wie die Würmer in der feuchten Erde winden, natürlich mit einer gewissen Ästhetik gekoppelt. Noch immer skeptisch, beargwöhne ich das mir Unbegreifliche.

Tschumm, peng, dann wird's heiß. Heftig pulsierende elektronische Body-Music im Hip-hop-Groove-Rhythmus donnert durch die Luft und die ca. 15 AkteurInnen reißen sich auseinander und fetzen in problemloser Körperbeherrschung über die Bretter. Choreographisch wie eine zusammengewürfelte Harlemer Streetgang aufgebaut, präsentieren sich zuckende Video-Clip Kampftanz-Posen zock - die Fäuste recken sich in die Höhe, die Unterarme kreuzen sich vor der Brust, der Unterkörper peitscht sich ekstatisch am Takt entlang, die Beine wirbeln von einer Seite auf die andere. Das französische Ensemble (im Alter zwischen 17 und 23 Jahren) namens „Black Blanc Beur“ (Schwarz, Weiß, Araber) aus dem Pariser Vorort St. Quentin -en-Yvelines zeigt, daß Jugendliche doch noch mehr als perspektivlos in der Gosse rumlungern können.

Bunt anzuschauen, die einfachen, aber wirkungsvollen Kostümchen und viel, viel Fleisch, zart, mager und gestählt, lugt dazwischen hervor. Vor allem fällt auf, daß bis auf einen die übrigen männlichen Mitglieder farbig sind. Ist ja auch selten, einen Europäer mit so viel Geschmeidigkeit und Grazie sich biegen ohne zu brechen zu sehen. Deshalb dürfen die Afro-Stepper auch mal solo ihr inneres Feuer zünden lassen. Gnadenlos inszenierte Break- und Jazz-Dance Elemente werden mit verführerischer Lust an der Aktion ausgeführt. Der kleine Schmuddel jedoch steht immer im Abseits und wird nicht in die Gruppe aufgenommen, muß also allein klarkommen.

Entgegen der grollenden Dampfhammermelodie, die die eigenen Füße nur mühsam ruhig am Boden verweilen läßt, bahnen sich die ruhigeren Parts an. Unter psychedelischem Synthi -Pulsschlag wird in einer Szene z.B. das Mann-Frau-Verhalten in Bewegung dargestellt: Hingabe, Dominanz, Schwäche, Aggression. Der Titel der Produktion „De Bizarre a Zzarbi il n'y a qu'un pas“ (Von Bizarr bis Zzarbi ist es nur ein Schritt) beflügelt dabei die Vorstellungskünste und Assoziationskraft um ein weiteres. Dann, zum Schluß, bemerkte ich gerade noch, gebannt von so viel anatomischer Eleganz, wie meine Hände begeistert aufeinanderklatschten. Eilöig habe ich es plötzlich auch nicht mehr, meinen kuscheligen Kunstoff-Sitz zu verlassen. Mehr davon.

Also, Leute, hingehen, wenn ihr sehen wollt, wie man den Michael Jackson Tanzbär mimt oder wie man zur Zeitgeistmusik seine Figur richtig anordnet. Außerdem führen die 3 B bei der demnächst stattfindenden Jugendwerkstatt Krakatau auch Tanzworkshops durch. Aber Achtung: Bis zur nur annähernd so drahtigen Tanzmaschine ist es mehr als nur ein Schritt.

Connie Kolb

Nach Informationen des Presseheftes hopst der Clan noch bis zum 17. Juli, sowie vom 20.-24.7 jeweils ab 20 Uhr im Tempodrom.