DGB boykottiert Weltbank-Empfang

■ Gewerkschaftschef Pagels: Das kulturelle Rahmenprogramm können wir alleine machen / Zur Mammut-Gegenveranstaltung im Tempodrom Ernesto Cardenal und Gewerkschafter aus Südafrika und der Türkei eingeladen / Warnung vor IWF-Polizeischau

Der DGB hat jetzt eine Senatsofferte ausgeschlagen, anläßlich der im Herbst anberaumten Tagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) an einem Opernball und einem offiziellen Empfang im Museum für Verkehr und Technik teilzunehmen. Eine Einladung zu den eigentlichen IWF -Foren, auf denen der Gewerkschaftsbund seine inhaltliche Position hätte darstellen können, sei nicht erfolgt, begründete der DGB-Landesvorsitzende Michael Pagels gestern die Absage.

Dem Senat, der für eine Antwort nur vier Tage Zeit gelassen habe, sei mitgeteilt worden, daß der DGB das „kulturelle Rahmenprogramm“ zu der Banker-Tagung dann auch alleine bestreiten wollte, sagte Pagels. Als deren Kernstück kündigte er eine fünf- bis sechsstündige Mammut -Veranstaltung am 19.September im Tempodrom an.

Auf der Veranstaltung sollen dem DGB-Chef zufolge zahlreiche Vertreter aus den Dritte-Welt-Ländern, die von IWF-Auflagen betroffen sind, über die ökonomischen Folgen berichten. Vorgesehen sei die Teilnahme von Abgesandten der türkischen demokratischen Gewerkschaftsbewegung DISK und der oppositionellen südafrikanischen Gewerkschaft COSATU.

Als weitere geladene Gäste nannte Pagels den ehemaligen chilenischen Wirtschaftsminister unter der Allende -Regierung, Pedro Viskovic, den ehemaligen nicaraguanischen Kulturminister Ernesto Cardenal, sowie Vertreter der Sozialistischen Internationale aus Brasilien und Equador. Für eine zweite Diskussionsrunde über den Stellenwert der Entwicklungspolitik für die Industrieländer will der DGB den SPD-Vorständler Karsten Voigt, den Fraktionär der Grünen, Thomas Ebermann, und die Professoren Kisker und Altvater gewinnen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Weltbank und IWF warnte Pagels ausdrücklich, den Kritikern wie in der Vergangenheit bei anderen Ereignissen mit einer überzogenen Polizeipräsenz zu begegnen. Es sei wünschenswert, daß die Gewerkschaft der Polizei und Kewenig aus der Absperrung Kreuzbergs zum Reagan -Besuch und dem „unsinnigen Vorgang“ des Baus einer „zweiten unsichtbaren Mauer“ am Lenne-Dreieck lernten.

Auf die Lage von Wirtschafts- und Arbeitsmarkt in Berlin eingehend, warf Pagels dem Senat vor, angesichts der zu den Abgeordnetenhauswahlen im Januar 1989 in der saisonalen Spitze absehbaren Rekord-Zahl von 110.000 bis 115.000 Arbeitslosen nur mit „Brot und Spielen“ zu reagieren.

Thomas Knauf