Sein und Bewußtsein der 'FAZ‘

■ Ein Buch über Geschichte, Kapitaleigner und Interessenkonflikte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Sie erfreut sich fraktions-, wenn auch kaum klassenübergreifender Beliebtheit. In internen Papieren der taz galt über längere Zeit hin als das erstrebenswerteste, so zu sein wie sie: nur eben links. Die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ hat sich seit den Tagen, da Hans Magnus Enzensberger ihren Journalismus als Eiertanz und ihre Nachrichten als „Gemeinplätze der deutschen Politik“ entlarvte, gut erholt. Das hat nun andere Zeitungsleser neugierig gemacht und zu „Nachforschungen über ein Zentralorgan“ angeregt. Der Sammelband, von Hermannus Pfeiffer herausgegeben, konzentriert sich dabei nicht auf die Nachrichtenberichterstattung der 'FAZ‘, sondern rückt ihr ökonomisches Sein in den Vordergrund und versucht einen Zusammenhang zum leitartikelnden Bewußtsein der konservativen Redakteure herzustellen. Wie es gelingt, die Zeitung ihr Dilemma überwindet, „einerseits die 'Elite‘ und das Bildungsbürgertum in gewissem Umfang realistisch zu informieren, andererseits sie zu leiten und zu lenken“ (Pfeiffer in der Einleitung), wird leider nicht befriedigend beantwortet: dafür hätte es wohl eines enger zusammenarbeitenden Kollektivs bedurft, als es der eher bunt gemischte Autorenkreis des Buches (von Otto Köhler über Eckhard Henscheid bis Herbert Schui) eben ist. Trotzdem sind sowohl die Fakten über die Unternehmensgeschichte (wer weiß schon über den erheblichen Einfluß der Deutschen Bank auf die Geschicke der 'FAZ‘ Bescheid) als auch einzelne der den Journalismus der 'FAZ‘ reflektierenden Kapitel aufschlußreich und lesenswert. Insbesondere in dem von Christian Gotthard verfaßten Artikel über den Rausschmiß der beiden zeitweiligen 'FAZ'-Mitherausgeber Paul Sethe (gekündigt 1955) und Jürgen Tern (gekündigt 1970) werden nüchtern und materialreich der Einfluß der Kapitalgeber auf die Redaktion und die Funktion des Leitartikels im Gesamtkonzept der Zeitung analysiert: Sethe mußte die 'FAZ‘ verlassen, weil er den Kurs auf den Kalten Krieg für falsch hielt, Tern, weil er der Brandt'schen Ostpolitik zu aufgeschlossen gegenüberstand. Ähnlich lesenswert, wenngleich keine überraschenden Erkenntnisse geliefert werden, ist Otto Köhlers Beitrag über den Historikerstreit in der Berichterstattung der 'FAZ‘: auch hier wird der Einfluß der Kapitalgeber der 'FAZ‘ auf die Stoßrichtung und die Akzente der Meinungsmache präzise nachgewiesen. Demgegenüber ist der Aufsatz über „Die 'FAZ‘ und die Nachrüstung“ eher enttäuschend, weil die Ursachen für den harten 'FAZ'-Kurs gegen jede Form der Nullösung, aber auch der tatsächliche bzw. erhoffte Einfluß der Berichterstattung auf die CDU und damit die Regierungspolitik ausgeblendet werden. Stattdessen wird wenig mehr als eine Chronologie der Kommentare und der durch sie begleiteten Ereignisse geliefert.

Oliver Tolmein

Hermannus Pfeiffer: Die FAZ, Nachforschungen über ein Zentralorgan, Pahl-Rugenstein Verlag, 204 Seiten, 14.80 DM.