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Rüstungsspirale Nah-Ost

Britisches Waffengeschäft stieß auf verhaltenen Protest Israels / Europäische Waffen weniger fortgeschritten als Israels US-amerikanische Waffen / Israel hofft auf Steigerung der US-Hilfe  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Waffen verschiedenster Gattungen im Gesamtwert von über 50 Milliarden Mark werden in den nächsten Jahren allein an Saudi-Arabien ausgeliefert. Nach dem Verkaufsabschluß über eine Staffel von Tornado-Kampfflugzeugen im Wert von über zwölf Milliarden Mark vor zwei Jahren wird Saudi-Arabien in den nächsten Jahren die teuerste Lieferung in der Geschichte der britischen Waffenschmieden erhalten.

Die Ausrüstung einer ganzen Armee samt Luftwaffe mit modernstem Kriegsmaterial unmittelbar an seinen Grenzen sollte Israel eigentlich zutiefst beunruhigen. Doch das Riesengeschäft, das über London abgewickelt wird, ist bei der israelischen Regierung auf relativ wenig Widerstand gestoßen. Verteidigungsminister Rabin sprach von einem unter zahlreichen Geschäften, die in der Summe einen bisher unerreichten Grad des Wettrüstens im Nahen Osten darstellen. Nachdem Außenminister Peres dem britischen Botschafter den verhaltenen Protest seiner Regierung übermittelt hatte, reagierte Tel Aviv mit der Beschleunigung der in der nächsten Zeit auszuliefernden F-15- und F-16-Kampfflugzeugen aus den USA. Im Gegenteil zu den von China an den Iran gelieferten Raketen stellen nach israelischer Auffassung die europäischen Waffen keine qualitative Veränderung der militärischen Dimension in der Region dar. Die europäischen Waffen seien weniger fortgeschritten als die US -amerikanischen und weitaus weniger für die besonderen Bedingungen des Nahen Ostens geeignet. Israel dagegen - so Rabin - gibt den Großteil seines Verteidigungsbudgets für die Entwicklung eigener, angepaßter Waffensysteme aus. Dennoch erwartet man, daß im Zuge der europäischen Geschäfte mit den arabischen Staaten die US-amerikanische Militärhilfe an Israel, die heute schon mehr als ein Fünftel aller amerikanischen Auslandshilfe ausmacht, zunehmen wird. Seit Jahrzehnten verdienen die USA am arabisch-israelischen Konflikt, indem beide Seiten mit Waffen versorgt wurden. Jetzt zeigen sich sie amerikanischen Firmen über die neue Konkurrenz erbost. Die israelische Lobby im US-Kongreß hatte sehr oft Waffengeschäfte mit arabischen Staaten verhindert und damit den Europäern einen wachsenden Marktanteil verschafft.

Was Israel wirklich beunruhigt, sind die neuen Entwicklungen von Raketensystemen in den arabischen Ländern. Das traditionelle „Hochschaukeln“ der militärischen Potentiale im Nahen Osten hatte Israel bisher durch die amerikanischen Lieferungen immer die Übermacht gesichert. Im Zeitalter der Nuklear-Raketen, das, wie die Enthüllungen von Vanunu gezeigt haben, Israel selbst eingeläutet hat, nutzen auch die von westlichen Agenturen gemeldeten neuen israelischen Langstrecken-Raketen nichts.

Die „Jericho„-Rakete, mit der Israel angeblich sogar die meisten arabischen Staaten angreifen könnte, schützt die Bevölkerung Israels nicht vor Atom-Gegenschlägen. Auch das im Rahmen der „Star War„-Projekte von Israel entwickelte Raketenabwehr-System „Hez“ (Pfeil) wird, wenn es irgendwann einmal einsetzbar wäre, einen konventionellen Angriff mit chemischen Waffen, wie sie schon im Golfkrieg eingesetzt wurden, nicht verhindern können. Die Logik des Rüstungswettlaufs im Nahen Osten erzwingt immer mehr ein Umschwenken auf politische Mittel anstelle der Aufrüstung.

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