Überraschender Fund einer Plutoniumkiste

Im britischen Atommüllager von Drigg für niedrig radioaktive Abfälle wurde ein Container mit plutoniumhaltigem Mischoxid gefunden Die Kontrolle radioaktiver Abfälle in Großbritannien hat damit erneut versagt / Das fehlende Material wurde nirgendwo vermißt  ■  Aus London Rolf Paasch

Auf der britischen Atommüllhalde von Drigg, die nur für die Lagerung gering radioaktiver Nuklearabfälle eingerichtet ist, ist bereits am Mittwoch ein Behälter mit plutoniumhaltigem Mischoxid gefunden worden. Das Gift wurde in der nahegelegenen Wiederaufbereitungsanlage von Sellafield produziert.

Damit wurden in der nicht grundwasserisolierten Anlage von Drigg zum vierten Mal innerhalb von dreieinhalb Jahren Abfälle mit höheren Strahlenwerten gefunden, als dort zugelassen sind. Der Fund des ungefähr 20 Zentimeter langen Containers durch einen Bautrupp, der mit dem Ausheben neuer Gräben beschäftigt war, bestätigt erneut, daß die von der Regierung Thatcher favorisierte Politik einer Trennung von niedrigen und mittel-radioaktiven Abfällen überhaupt nicht eingehalten werden kann, weil die Kontrollmechanismen offensichtlich völlig unzureichend sind.

„Dies ist das gleiche Phänomen wie beim Transnuklearskandal“, erklärte der Atomexperte der britischen Umweltorganisation „Friends of the Earth“ der taz gegenüber. „Auch hier handelte es sich um angeblich niedrig radioaktiven Atommüll, wo mittendrin plötzlich gefährlicheres Material auftaucht.“ Ein Sprecher der Betreiberfirma von Sellafield und Drigg, „British Nuclear Fuels“ (BNF), erklärte dagegen den Unterschied zwischen dem in Drigg normalerweise gelagerten Atommüll und dem jetzt dort gefundenen Plutoniumbehälter für „rein akademisch“.

Über den entscheidenden Plutoniumgehalt des Mischoxids in Keramikform konnte er allerdings keine Aussagen machen. Die tablettengroßen Keramikkugeln wurden am Freitag noch von den Wissenschaftlern in Drigg analysiert. Dieses Material war entweder zur Nutzung im Versuchsbrüter von Dounreay an der schottischen Nordküste vorgesehen oder von dort aufgrund von Qualitätsmängeln wieder nach Sellafield zurückgeschickt worden. In Drigg, so mußte der BNF-Sprecher auf Anfrage der taz hin zustimmen, hatte das Mischoxid jedenfalls nichts zu suchen. Gefährlich sind die Alpha-Strahlen des Mischoxids nur dann, wenn sie in den Kreislauf des menschlichen Körpers eindringen können, wenn sie z.B. inhaliert werden. In einem solchen Fall jedoch liegt der Grad ihrer krebserregenden Wirkung um das 20fache über dem der äußerlich gefährlicheren Gamma-Strahlen von Kobalt oder Cäsium.

Der eigentliche Skandal des Fundes liegt jedoch in der Tatsache, daß hier plutoniumhaltiges Brenn- oder Abfallmaterial, sei es in Sellafield oder Dounreay, abgezweigt werden konnte, ohne daß dies den Betreibern der Anlage oder den Sicherheitsbehörden irgendwo aufgefallen ist. Die Beteuerung der Betreiber britischer Atomanlagen, das Abzweigen von fünf Kilogramm für eine Atombombe benötigten Plutoniums sei aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen unmöglich, dürfte nach dem jüngsten Plutoniumfund jedoch noch weniger überzeugen als schon zuvor.