Friedensdorf für kriegsversehrte Kinder

Im Friedensdorf Oberhausen werden verletzte und behinderte Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten betreut / Nach medizinischer Versorgung Rückkehr in die Heimat / Aufnahmne unabhängig von politischen Kriterien  ■  Aus Oberhausen Anne Weber

Ein Bus mit Aufklebern der Aktion Sorgenkind parkt vor dem zweistöckigen Verwaltungsgebäude des Oberhausener Friedensdorfs. Man assoziert gute Taten, selbstloses, humanitäres Engagement. „Sicherlich ist das richtig, wir arbeiten hier alle weit über die 40-Stunden-Woche hinaus, aber wir sind keiner dieser Renommierbetriebe. Aktion Sorgenkind hat uns lediglich einen Bus zu 60 Prozent mitfinanziert“, erklärt Ronald Gegenfurtner, der Leiter des Friedensdorfes.

Seit 21 Jahren werden in Oberhausen Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten betreut. 1967, unter dem Eindruck des Sechs -Tage-Krieges im Nahen Osten, hatten TeilnehmerInnen einer kirchlichen Veranstaltung im Ort die Bürgerinitiative Aktion Friedensdorf e. V. gegründet. In den ersten Jahren nahm das Dorf schwer verletzte Kinder aus Vietnam auf. Seit 1975 kommen Kinder aus Afghanistan, dem Libanon, aus palästinensischen Lagern, Nicaragua und Afrika. Das Dorfes hat Platz für etwa 100 Kinder. „Unsere Personalkapazität reicht aber nicht aus, um so viele aufzunehmen und zu versorgen“, sagt eine Mitarbeiterin. Insgesamt vierzig Angestellte arbeiten im Dorf. Sechs von ihnen betreuen im Schichtdienst rund um die Uhr verletzte und behinderte Kinder, die in ihren Heimatländern medizinisch nicht ausreichend versorgt werden können. „Die Kinder kommen hier an, sind verschüchtert, weinen, haben Heimweh. Wir helfen ihnen, sich einzugewöhnen, bereiten sie auf die Krankenhausaufenthalte vor und besuchen sie dann in den Kliniken“, berichtet eine Mitarbeiterin.

Die medizinischen Behandlungen sind meist aufwendig und kostspielig. So bei den zehn vietnamesischen Kindern, die jetzt seit einer Woche im Friedensdorf sind. Sie leiden unter körperlichen Mißbildungen, den Spätfolgen von „Agent Orange“, dem stark dioxinhaltigen Gift, das die amerikanische Luftwaffe während des Vietnam-Kriegs einsetzte. Einem siebenjährigen Mädchen muß ein Tumor entfernt werden, der über dem rechten Auge aus dem Kopf herauswächst. Ein achtjähriger Junge, der ohne Penis geboren ist, soll durch einen operativen Eingriff einen Harnausgang bekommen. Ein Vierzehnjähriger muß an den zusammengewachsenen Fingern und Zehen operiert werden. Die Kinder haben sich im Dorf schnell eingelebt. Sie fahren mit Dreirädern und Rollstühlen quer über die Gartenwege um die Wette. „Unterhalten können wir uns leider nicht mit ihnen, aber sie haben Ansprechpartner in dem stellvertretenden vietnamesischen Leiter des Dorfes und einer Erzieherin“, sagt eine Mitarbeiterin.

Es entspricht nicht dem Konzept des Dorfes, die Kinder allzu sehr mit der deutschen Sprache und dem Land vertraut zu machen. Denn nach der medizinischen Behandlung sollen sie vom Friedensdorf aus wieder zu ihren Familien zurückgebracht werden. „Die Vermittlung der Kinder läuft über unsere Partner in ihren Heimatländern, die Gesundheitsministerien, Kliniken oder zum Beispiel Terre des Hommes. Sie machen uns Vorschläge. Wieviel Kinder dann bei uns unterkommen, richtet sich nach den medizinischen Möglichkeiten hier und der Anzahl von Freibetten, die einige Kliniken in der BRD zur Verfügung stellen. In der letzten Zeit waren es pro Jahr etwa dreißig. Derzeit warten aber noch 500 Kinder auf unsere Zusage“, berichtet Gegenfurtner. Die Zusammenarbeit mit den Ansprechpartnern im Ausland ist nicht immer unproblematisch. „Einige versuchen, Druck auszuüben und stellen Bedingungen, die wir nicht erfüllen können und wollen. Moslems zum Beispiel verlangen, daß Jungen und Mädchen nicht zusammen spielen sollen.“ Aber auch Mitglieder des Vereins in Oberhausen machen Schwierigkeiten. Sie stellen politische Ansprüche, die mit dem Konzept des Dorfes nicht übereinstimmen. Gegenfurtner dazu gleichmütig: „Die einen wollen keine afghanischen, die anderen keine vietnamesischen Kinder. Wieder anderen paßt es nicht, daß uns die nicaraguanische Regierung die Kinder schickt und nicht die Contras. Das alles spielt für uns keine Rolle. Schließlich ist es den Kindern doch auch egal, ob eine rote, schwarze oder braune Bombe sie verletzt hat.“ Allerdings sei der Mitgliederstamm von 3.000 Leuten im Laufe der Jahre auf 1.300 geschrumpft. Nach 1975 ließ das öffentliche Interessse an Vietnam und damit auch an dem Friedensdorf nach. Durch die Aufnahme der dioxingeschädigten Kinder ist es wieder in die Schlagzeilen geraten. „Diese neue Öffentlichkeit wird uns wieder zu Spenden verhelfen“, hofft Gegenfurtner. Eineinhalb Millionen Mark jährlich braucht der Verein heute.

Aktion Friedensdorf Oberhausen e.V. Stadtsparkasse Oberhausen/Kontonummer 102.400; Postscheckkonto Essen 1218 -434