Jugoslawiens Militärs nehmen Rache

■ Journalisten von 'Mladina‘, Zeitschrift der slowenischen KP-Jugend, vor dem Militärgericht / Von Roland Hofwiler

Die Reformfreudigkeit der slowenischen Kommunistischen Partei ist den Konservativen in Belgrad schon lange ein Dorn im Auge. Als die KP-Jugendzeitschrift 'Mladina‘ im Mai einen geplanten Putsch der Militärs aufdeckte, schlugen diese zu: Wegen „Verrats von Militärgeheimnissen“ werden am Montag drei Journalisten und ein Unteroffizier vor einem geheimen Militärgericht in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana stehen. In dem ersten Militärprozeß gegen Zivilisten seit Kriegsende droht den Angeklagten bis zu 15 Jahren Knast.

Die Anschuldigung ist bombastisch. Wegen des „Verrats von Militärgeheimnissen“ müssen sich am Montag drei jugoslawische Journalisten und ein Unteroffizier vor dem Richter verantworten. Erstmals seit Kriegsende eröffnet in Ljubljana ein Militärgericht ein Verfahren gegen Zivilpersonen und dies unter einem Vorwurf, der mit bis zu 15 Jahren Freiheitsentzug geahndet werden kann.

Angeklagt sind der slowenische KP-Jugendfunktionär und Journalist Janez Jansa und dessen Freund Franci Zavrl, presserechtlich verantwortlich bei 'Mladina‘, der aufmüpfigsten unter den legalen politischen Zeitschriften Osteuropas. Außerdem David Tasic, Redakteur für Innenpolitik bei 'Mladina‘ und der Fähnrich Ivan Borstner. Die genaue Anklage kennt außer den Militärs niemand, da offiziell keinerlei Einzelheiten mitgeteilt werden. Doch offenbar wird ihnen vorgeworfen, sie hätten unter dem Titel „Die Nacht der langen Messer“ (siehe Dokumentation) in ihrer Ausgabe vom 13.Mai ein Militärgeheimnis preisgegeben. Obwohl 'Mladina‘ noch vor Drucklegung verboten wurde, gelangten Textteile an die Öffentlichkeit, und damit war allgemein bekannt, daß Scharfmacher und ein Militärrat in Aktion getreten waren, die die KP-Reformbewegung in der Nordwestecke der Vielvölkerföderation für eine „Konterrevolution“ hielten und Wege suchten, dem „offen organisierten Spezialkrieg“ ein Ende zu setzen.

Das Wort Militärrat weckt in Jugoslawien die wildesten Phantasien. Denn schon zweimal gab es in der Nachkriegsgeschichte einen Militärrat, der sich über alle politischen Instanzen hinwegsetzte und gegen Teile der Parteiführung „putschte“: 1971 zur Niederschlagung der kroatischen Nationalbewegung und 1981, um einen Albaner -Aufstand im südlichen Kosovo blutig zu beenden.

War dem „slowenischen Reformfrühling“ (siehe nebenstehender Artikel) ein ähnliches Schicksal zugedacht? Die bekannte Schriftstellerin Spomenka Hribar durfte - von der Zensur unbehelligt - in der Presse antworten: „Ein neuer Putsch ist bereits geschehen. Denn was ist es anderes als ein Militärputsch, wenn in Friedenszeiten ein Militärrat die Politik beurteilt und seine Anweisungen erteilt?“

Viele Jugoslawen meinen, daß es nur den verhafteten Journalisten zu verdanken ist, wenn es nicht zum „großen Putsch“ kam, und das zeigten sie in unzähligen Protestkundgebungen. Da zogen Frauen mit Spritzpistolen vor eine Kaserne (um die bösen Geister der Armeepräsenz zu beschwören). Da forderte ein Demonstrationszug von 2.000 Jugendlichen den Inhaftierten „Jansa for President“, da veranstalteten Schriftsteller Lesungen, um für Freilassung und Pressefreiheit zu protestieren, da organisierte schließlich die Jugend-KP einen Protestmarsch, an dem fast 30.000 Menschen teilnahmen. Es formierte sich ein Komitee „Kommunisten für Demokratie“, und der Präsident Sloweniens, Janez Stanovnik, bat, der Prozeß möge öffentlich vor einem Zivilgericht stattfinden.

Doch der Militärrat, über dessen personelle Zusammensetzung die Bürger nur spekulieren können, stellte sich stur: Der Fall sei zu brisant, die Verhandlung müsse deshalb hinter verschlossenen Türen stattfinden. Während dogmatische Parteiblätter aus Belgrad bereits wissen wollen, die Angeklagten hätten noch weit mehr Material besessen als die ZK-Rede (in der die Absichten der Militärs nur angedeutet werden), und dieses Material wollten sie „Staatsfeinden“ zuspielen, spricht die reformorientierte Parteipresse von „übler Rache“.

Jeder weiß in Jugoslawien, daß 'Mladina‘ im letzten Jahr eine große Kampagne für die Einführung eines Wehrersatzdienstes anführte, die - anders als in Polen und Ungarn - von den Herrschenden als „feindliche Hetze“ aufgefaßt wurde. Zu einer Reise des Verteidigungsministers Admiral Branko Mamula nach Äthiopien bemerkte damals das Blatt: „Während die ganze Welt Lebensmittel in diese Armenregion schifft, verkaufen wir nichts anderes als Waffen.“