Happy Birthday, Mister Mandela!

■ Nelson Mandela, ANC-Chef und Symbolfigur des Widerstands gegen die Apartheid, wird heute siebzig / Das Regime von Pretoria hat alle Feiern zu seinen Ehren verboten / Mindestens 30 Verhaftete / In London eine Demonstration und das größte Fest für Mandela

Berlin (taz) - Nelson Mandela hat sich Bertoluccis „Der letzte Kaiser“ ausgesucht. Ein Film auf Bestellung eines Mithäftlings - das ist das einzige Geschenk, das die Symbolfigur des schwarzen Widerstands gegen die Apartheid heute im Pollsmoor-Knast in Kapstadt erreichen wird. Der seit 26 Jahren inhaftierte Führer des ANC, des Afrikanischen Nationalkongresses, wird heute 70 Jahre alt. Auf eine Feier mit seiner Frau Winnie Mandela und zehn Verwandten im Knast verzichtete er. So auch Winnie Mandela. Privilegien gegenüber den anderen Häftlingen der Apartheid wollten sie von dem weißen Minderheitsregime nicht annehmen, erklärt Mandelas Anwalt.

Das Rassistenregime begeht den Geburtstag auf seine Art: In den Schwarzen-Siedlungen außerhalb von Kapstadt patroullieren Panzerwagen, Polizeisperren um das Pollsmoor -Gefängnis, mindestens 30 Menschen wurden verhaftet, am vergangenen Donnerstag und Freitag wurden insgesamt vier ANC -Anhänger vom Militär erschossen.

Alles, was in Südafrika nach einer Geburtstagsfeier aussehen könnte, wurde vom Regime verboten: Ein Fußballspiel zu Ehren Mandelas nördlich von Johannesburg ebenso wie ein Geburtstagskonzert in der Uni von Kapstadt, Musik-Shows auch in Durban und Johannesburg sowie eine Privatparty in der Stadt. Aus Furcht vor ihrem Symbolhäftling nahm die Polizei in Kapstadt fünf Jogger fest, die Mandela-T-Shirts vollschwitzten. Im Ausland hingegen wird der ANC-Führer gefeiert, in Schweden wie in Kuba, auf Neu-Seeland, in den USA wie auch in der BRD. Hierzulande soll es heute in 50 Städten Aktionen gegen die Apartheid geben. Und CDU-Geißler hat die Freilassung des 70jährigen gefordert, und Genscher, Kohl und Gorbatschow, Honecker und Mulroney, nein, Reagan nicht.

London (taz) - Die größte Geburtstagsparty zu Ehren des ANC -Führers fand gestern in London statt. Über 200.000 Menschen hatten sich am Nachmittag im Nordosten des Hyde Parks versammelt, um den Reden von Bischof Tutu, einer Videobotschaft von Winnie Mandela, der Musik aus dem Richard -Attenborough-Film „Schrei nach Freiheit“ und der zum Geburtstag komponierten Mandela-Hymne der „Simple Minds“ zuzuhören. Am deutlichsten wurde vorweg Abdul Mintey, Ehrenpräsident der britischen Anti-Apartheid-Bewegung: „Von hier aus rufen wir Frau Thatcher, Kanzler Kohl und Präsident Reagan zu, daß sie es sind, die der Freiheit Mandelas und der Freiheit Südafrikas im Wege stehen. Denn Sanktionen sind der Schlüssel für Mandelas Freiheit.“ An die Adresse Mandelas war hingegen eine Botschaft von 150 Kirchenmännern Südafrikas gerichtet, die auch Bischof Tutu unterzeichnet hatte: „Wir weisen mit Nachdruck die von dem illegalen Regime gestreute Propaganda zurück, die Fortsetzung auf Seite 2

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Deine Organisation, den ANC, terroristisch nennt - wir verstehen Deine Motive, die Dich und andere inhaftierte und exilierte Führer zum bewaffneten Kampf gebracht haben, um die Freiheit Deines Volkes zu erreichen.“

Die Demonstration hatte am Sonntag mittag im Nordlondoner Finsbury Park begonnen, wo an diesem Tage für die Sonntagsfußballer kein Platz blieb. In einer Karnevalsatmosphäre mit Regenschauern sammelten sich die Mitglieder der Anti-Apartheid-, Gewerkschafts-, Frauen- und Studentengruppen, die in Großbritannien an der Spitze der so populären wie bisher politisch erfolglosen Anti-Apartheid -Bewegung stehen. Während die radikale „City of London Apartheid Group“, denen der Breitenappeal der britischen Apartheid-Bewegung überhaupt nicht paßt, auf ihren Flugblättern gegen die Kommerzialisierung der Figur Mandelas wetterte und statt dessen mehr „action“ forderte, fanden die „Freiheit mit 70„-T-Shirts und Mandela-Kappen nebenan reißenden Absatz. An der Spitze des Zuges marschierten 25 Anti-Apartheid-Aktivisten und ANC-Mitglieder, die seit dem Mandela-Konzert im Londoner Wembley Stadion im Juni auf der Insel unterwegs sind. Am Sonntag legten sie die letzte Etappe ihres 600 Kilometer langen Marsches von Glasgow zum Hyde Park zurück. Vorbei an den verwunderten, allsonntäglich durch Londons Innenstadt streifenden Touristenhorden - O -Ton: „Wer is'n dieser Mandela-Kerl“ - strömte die Menge am Nachmittag in das weite Park- Areal, wo die prominenten Redner, allen voran Bischof Tutu - und über den riesigen Videoschirm Winnie Mandela - anschließend das eigentlich Selbstverständliche forderten: die bedingungslose Freilassung des großen alten Mannes der schwarzen Widerstandsbewegung in Südafrika. Hoffnungsträger Nummer Eins im Kampf nicht nur der britischen Apartheid-Gegner scheint im Augenblick US-Präsidentschaftskandidat Michael Dukakis zu sein, dessen starke Worte gegenüber Pretoria auch die in London Versammelten mit neuer Hoffnung erfüllt zu haben schienen. Höhepunkt war am Ende die Afrikanische Nationalhymne „Nkosi Sikelel i-Afrika“, die aus den Lautsprechern und aus 200.000 Kehlen in den bedeckten Londoner Abendhimmel schallte.

Rolf Paasch