Daten-Dschungel bei Radio Bremen

■ Personalrat filzte Computer bei „Radio Bremen 4“ / Zum Vorschein sollen personenenbezogene Daten von MitarbeiterInnen gekommen sein / Abteilungsleiter Hagen: „Alles Quatsch!“ / Ende der Woche wird Computer-Inhalt gelüftet

„Gestapomethoden!“ Das böse Wort fiel am Montag vor 14 Tagen in den Redaktionsräumen von Radio Bremens viertem Programm. Dr. Wolfgang Hagen sprach's, geistiger Vater dieses vierten Programms und Chef der „Hauptabteilung Leichte Musik“ des Senders. Die Situation, auf die Hagen traf: Personalräte standen zusammen mit zwei sachkundigen BeraterInnen vor den beiden Personalcomputern von „Radio Bremen 4“ und kontrollierten gerade, was in den Computern alles gespeichert war.

Zuviel, meint der Personalrat. Mehr jedenfalls, als in der „Dienstvereinbarung über den Einsatz von Personal-Computern“ vorgesehen ist. Diesen Verdacht hegte der Personalrat schon lange. MitarbeiterInnen hatten ihn alarmiert.

Was der Personalrat im einzelnen an diesem grauen Morgen aus dem Computer fischte ließ, darüber gibt es offiziell keine Auskünfte. Der Personalratsvorsitzende Werner Mauermann bleibt seinem Namen treu und mauert. Der Personalrat wartet auf einen Bericht seines Fachberaters Eck

hard Kanzow von der Bremer Uni. Auch der schweigt sich aus. Aber die Computer des Dr. Hagen sind noch immer Tagesgespräch im Funkhaus. Wenn sich bestätigt, was bisher durchsickerte, dann hat der Chef der Pop-Welle die Computer dazu mißbraucht, sich ein Bild von den MitarbeiterInnen des Programms zu machen.

Nur Musiktitel sollten in den Computern gespeichert werden, und nach Auskunft von Wolfgang Hagen ist sonst auch nichts drin. Personenbezogene Daten in den Computern zu speichern, das schloß die „Dienstvereinbarung“ aus. Deswegen waren die Computer auch nicht mit einem password oder anderweitig gegen den Zugang unberechtigter Leute gesichert: Wer in der Radio Bremen 4 Redaktion aus und ein ging, der hatte auch Gelegenheit, in den Computer-Speichern zu stöbern.

Dort konnten Hinz und Kunz finden, wieviel Honorar die einzelnen MitarbeiterInnen bezogen haben, denn Honorarabrechnungen wurden in den PCs gespeichert, war gestern von MitarbeiterInnen zu hören. Aber nicht nur

das: Auf den Disketten war auch festgehalten, welche Musikvorschläge die einzelnen Mitarbeiter auf den Redaktionskonferenzen gemacht hatten. Außerdem sollen

Sendeprotokolle festgehalten worden sein. Damit könne Abteilungsleiter Hagen eine Menge anfangen, mutmaßen MitarbeiterInnen und Personalräte: Hagen

sei ein versierter EDV-Joker und habe sich das Software-Werk

zeug verschafft, um aus den genannten Daten unerlaubt MitarbeiterInnen-Profile zu gewinnen. Was die Mitarbeiter besonders beunruhigt: Hagen spielt nicht nur im Funkhaus an den Computern: Zu Hause hat er selbst einen, der ihm die Disketten aus den RB-Computern entziffern kann.

Der Angeschuldigte selbst zu den Vorwürfen: „Alles Quatsch! Wie sollte ich in einem Computer, an dem 25 Leute arbeiten, Personaldaten speichern?“

Seit der Personalrat vor 14 Tagen die PCs von Radio Bremen filzte, gehen im Funkhaus die Wogen hoch. Intendant Karl -Heinz Klostermeier sieht in der Aktion einen „unglaublichen Vorgang“. Der Personalrat dagegen verweist auf die Dienstvereinbarung. Sie gebe ihm das Recht, den Gebrauch der Computer im Sender zu kontrollieren.

Den Abschlußbericht seiner Berater erwartet der Personalrat schon morgen. Danach will er die Öffentlichkeit informieren, jedenfalls die betriebsinterne.

Michael Weisfeld