Letzte Kraaker-Bastion in Amsterdam geräumt

■ 300 Bereitschaftspolizisten räumten niederländisches Hausbesetzerzentrum / Bulldozer und Bagger eingesetzt / Stundenlange Straßenschlacht / Besetzer wehrten sich mit brennenden Barrikaden / Jetzt sollen Sozialwohnungen gebaut werden

Amsterdam/Berlin (taz) - In Amsterdam ist gestern das letzte große Hausbesetzerzentrum der niederländischen Kraaker (Besetzer) geräumt worden. 3OO Bereitschaftspolizisten der ME (Mobile Einheit) rückten in den frühen Morgenstunden mit Bulldozern und Baggern gegen das alte Textillagerhaus in der Konradstraat vor , in dem noch rund 14O Menschen arbeiteten und wohnten. Von einem autonomen Amsterdamer Radiosender gewarnt, konnten sich die Kraaker auf die Räumung vorbereiten. Noch in der Nacht errichteten sie einen Verteidigungswall und empfingen die Polizei, die zunächst mit Schlagstöcken gegen sie vorging, mit Steinwürfen und brennenden Barrikaden. Die Straßenschlacht, in der Hunderte von Sympathisanten den Kraakern zu Hilfe kamen, dauerte mehrere Stunden. Um 11 Uhr gelang es der Polizei, die letzten verbarrikadierten Komplexe des Gebäudes zu stürmen. Nachdem die ME verschweißte Türen aufgebrochen und sich mit Beilen Zutritt verschafft hatten, wurde das Gebäude geräumt. 40 bis 50 Kraaker ergaben sich freiwillig, da ihnen „der polizeiliche Befehl zur Übergabe zu lange dauerte“. Drei Polizisten wurden leicht verletzt, fünf Demonstranten festgenommen.

„Wir sind enttäuscht“, sagte einer der Kraaker gegenüber der taz, „nicht etwa, weil wir unsere eigenen Vorstellungen nicht durchsetzen konnten, sondern weil die Polizei schärfer gegen uns vorging, als wir es erwartet haben.“ Gestern morgen noch wurde über den Rundfunk bekannt, daß die Polizei jetzt auch die seit einigen Wochen besetzten „Ersatzwohnungen“ räume, was unter den Kraakern große Bestürzung auslöste. Die Hausbesetzer hatten geplant, das seit drei Jahren besetzte ehemalige Kleiderlager selbst umzubauen. Sie konkurrierten mit einem Projekt der Stadt Amsterdam, die auf dem Gelände 144 Sozialwohnungen bauen will. Die von den Kraakern selbst vorgelegten „Renovierungspläne“ wären neun Millionen Mark billiger gewesen und hätten doppelt soviel Wohn- und Arbeitsraum ergeben. Doch die Baupolitik der Amsterdamer Sozialdemokraten stand im Widerspruch zu den Forderungen nach autonomen Wohnen und Arbeiten der Kraakerbewegung. Mit dem Projekt der Kraaker, das den speziellen Bedürfnissen von Bürgerinitiativen und kleinen Handwerksbetrieben entsprochen hätte, ist es nun endgültig vorbei. Während der Straßenschlacht war das Lagerhaus gleich an vier Stellen in Brand geraten. Eine riesige schwarze Rauchwolke, die in ganz Amsterdam zu sehen war, stieg über dem Hafenviertel auf. Zwar wurden Löschzüge zu Wasser und zu Land eingesetzt, doch hat die ME noch gestern morgen mit dem Plattwalzen der rauchenden Trümmer begonnen. Für die Räumung hatte die Stadt Amsterdam eine Mio. Mark zur Verfügung gestellt.

Wegen des unerwartet scharfen Vorgehens der ME befürchten die Amsterdamer Kraaker jetzt, daß eine weitere Räumung ins Haus steht. Abgesehen hat es die ME auf ein von Studenten besetztes Haus der Universität, dessen Verkauf verhindert werden soll.

C. Gekeler/M. Kirfel