Die „Convention“ - demokratisches Spektakel

Seit gestern tagt der Parteikonvent der US-Demokraten / Kür des Präsidentschaftskandidaten und dessen Vertreter sowie Verabschiedung der Wahlplattform stehen auf dem Programm / Jackson sorgt für Spannung: Er hält an Kandidatur fest  ■  Von Reed Stillwater

Berlin (taz) - Konfettiregen, blauweißrote Ballons, die zur Kuppel des Saales emporsteigen, drei- bis viertausend johlende Leute, die PLakate herumtragen und den Namen des einen oder anderen Kandidaten skandieren und sich gegenseitig niederzubrüllen suchen. Alle vier Jahre halten die beiden großen politischen Parteien in den USA ihre „conventions“ ab. Die Conventions sind Bestandteil des gigantischen, heidnisch anmutenden, fast ein Jahr währenden Rituals, in dessen Verlauf Amerika seinen Präsidenten wählt. Die Conventions nominieren den Präsidentschaftskandidaten, verabschieden die Wahlplattform und leiten den Wahlkampf mittels einer gewaltigen Propaganda-Show.

Sie haben ihren Charakter im Laufe dieses Jahrhunderts radikal geändert. Heute erkennen Europäer in ihnen nur einen inhaltslosen Rummel, gegen den europäische Parteitage sich wie Philosophenkongresse ausnehmen. Doch was wie die Ersetzung von Politik durch Karneval aussieht, ist in Wirklichkeit eine demokratische Errungenschaft. Die Kür des Präsidentschaftskandidaten war früher eine rein parteiinterne Angelegenheit, die die Politprofis unter sich auskungelten und bei der die Parteimitglieder nicht viel zu sagen hatten. Die Conventions hatten sehr viel weniger Delegierte und der Prozeß der Kandidatenbestimmung war manchmal quälend lang. Den Rekord erreichte der demokratische Parteikonvent 1923 in New York: Er dauerte 17 Tage und erst beim 103.Wahlgang stand der Präsidentschaftskandidat fest. Das ist natürlich nichts für das Fernsehzeitalter.

In diesem Jahrhundert wurde eine revolutionäre Neuerung bald sehr populär: die Vorwahlen. Die Wahl der Delegierten zum Parteikonvent und die Entscheidung über den Kandidaten wurde dem Parteiestablishment aus den Händen genommen und der Parteibasis, ja dem Volk übertragen. Die Entscheidung darüber, wer Präsidentschaftskandidat der Partei werden soll, ist meist längst durch die Vorwahlen entschieden. Die Convention hat nur noch zu ratifizieren. Das ist ein Fortschritt.

Die Convention verabschiedet auch die Wahlplattform. Plattformen sind für den Kandidaten nicht verbindlich, dennoch ist ihre Diskussion nicht ohne Bedeutung für Parteien, die kein Parteiprogramm haben. Die Diskussionen um die Plattform können sehr langwierig sein. Auf dem demokratischen Parteikonvent 1980 entspann sich eine 17 Stunden währende Debatte zwischen den Kandidaten Kennedy und Carter, die Carter zwar gewann, bei der er aber soviel Konzessionen machen mußte, daß er sein Wahlprogramm umschreiben mußte. Um eine ähnlich langwierige Debatte zu verhindern, haben die Organisatoren dieses Mal die Redezeit der Kandidaten auf zwei Minuten beschränkt.

Während die Republikaner ihre Convention-Regeln seit 100 Jahren nicht geändert haben, haben die Demokraten fast alle vier Jahre eine Reform eingeführt. Die wichtigsten waren die Erweiterung der Delegiertenzahlen, um die Parteibasis besser zu repräsentieren, sowie die Bestimmung, daß ethnische Minderheiten adäquat vertreten sein müssen und daß die Delegationen aus den einzelnen Staaten mindestens zur Hälfte aus Frauen zu bestehen haben. Am Montag wurde bekannt gegeben, daß für den nächsten Wahlkampf 1992 die Anzahl der Superdelegierten, die vom Parteiapparat bestimmt werden und traditionell konservativ stimmen, gegenüber der Zahl der normalen, vom Parteivolk bestimmten Delegierten verringert wird.

Dieses Jahr diktieren die live aus Atlanta übertragenden vier großen Fernsehanstalten den zeitlichen Ablauf der Convention. Fernsehgerecht werden die 4.162 Delegierten von Montag bis Donnerstag jeweils zur „prime time“ von 20 bis 23 Uhr zusammenkommen. Nach der Eröffnung legte gestern der Parteivorsitzende Paul Kirk seinen Rechenschaftsbericht vor. Danach hielt Ex-Präsident Jimmy Carter, der in Georgia zu Hause ist, seine Begrüßungsrede. Am Dienstag beraten die Delegierten das Wahlprogramm der Partei. Höhepunkt der Debatte wird Jesse Jacksons Parteitagsrede sein, mit der er noch einmal seine Forderungen unterstreichen wird: Der Rüstungshaushalt soll eingefroren werden, die zukünftige Regierung soll sich verpflichten, nicht als erste Atomwaffen einzusetzen, und sich für einen palästinensischen Staat engagieren. Im Entwurf des Programms sind diese Forderungen nicht enthalten.

Am Mittwoch kommt der Höhepunkt des Parteitags, der Präsidentschaftskandidat wird gewählt. Am Donnerstag schließlich folgt die Wahl des Vizekandidaten, die noch einmal Spannung verspricht, da Jackson weiterhin an einer Kandidatur festhält.