„Hau drauf„-Kurs im Kölner Häuserkampf

Bewohner des letzten besetzten Hauses resignieren / Räumung in Körnerstraße mit äußerster Härte durchgeführt Klima durch lokale Politiker und Boulevardpresse aufgeheizt / Festgenommene BesetzerInnen wieder auf freiem Fuß  ■  Aus Köln Oliver Tolmein

Sonntag nachmittag erst findet die lange Räumungsnacht der besetzten Körnerstraße 12 ihr vorläufiges Ende. Begonnen hatte es nach Mitternacht mit einem Polizeieinsatz wegen Ruhestörung, der durch das Eintreffen der rasch herbeigerufenen Polizeiverstärkung eskalierte und schließlich um 15 Uhr mit der Freilassung der letzten der insgesamt 69 Festgenommenen endete. Kaum kommen diese frei, wird die Körnerstraße bis in die Abendstunden hinein vollständig gesperrt. Wer sich in der Nähe aufhält oder gar an die Polizeikette begibt, blickt plötzlich in die Linse des Videodokumentationstrupps: „Das Filmmaterial wird nur zu Lehrzwecken aufgenommen“, behauptet der Gesamteinsatzleiter.

Nur noch AnwohnerInnen dürfen zu ihren Häusern durch. Auch den geräumten BesetzerInnen wird zugestanden, jeweils in Dreiergruppen Elektrogeräte aus den Zimmern zu holen. Viel mehr gibts dort eh nicht mehr: BKA-Beamte, aus Wiesbaden angereist, haben in den frühen Morgenstunden die günstige Gelegenheit genutzt und die Akten, Zeitschriftensammlungen und das im Haus untergebrachte Fotolabor durchstöbert und in großem Umfang beschlagnahmt. „Die Räumung war eine ganz normale Polizeimaßnahme“, versichert montags der Sprecher der Bundesanwaltschaft'Prechtl, der den BKA-Einsatz aber bestätigt: „Dabei kam es zu Zufallsfunden, die uns und das BKA zum Einschreiten veranlaßt haben.“ Aufgrund der „zufällig“ gefundenen IWF-Broschüren, einigen Ausgaben der 'radikal‘ und anderen Papieren hat die Bundesanwaltschaft jetzt ein Verfahren wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ vorerst noch gegen Unbekannt eingeleitet. Sonntagabend auf dem Plenum im letzten der autonom besetzten Häuser, in der Weißhausstraße, bleibt die Wut still, Resignation breitet sich aus.

Die Räumung des besetzten Hauses in der Körnerstraße ausgerechnet anläßlich des BesetzerInnen-Festes war völlig überraschend und mit äußerster Härte durchgeführt worden. Von Leuten, die die Treppen des besetzten Hauses hinuntergeschleift worden waren, von Schlagstockaktionen gegen bereits mit Plastikfesseln in die Wannen Gebrachte, von einer rüden Vorgehensweise bei der Erkennungsdienstlichen Behandlung, der etliche der 69 Festgenommenen unterzogen wurden, wird auf dem Plenum berichtet. Für die aggressive Stimmung der etwa hundert eingesetzten Streifenpolizisten war die von der Einsatzleitung ausgegebene, falsche Information verantwortlich, daß ein Beamter von den BesetzerInnen „als Geisel festgehalten“ werde („Express“) und einer niedergestochen worden sei. Im Verlauf der mehrstündigen Räumung wurde ein Teilnehmer des Festes von den Polizisten bewußtlos geschlagen, einer mußte mit einer großen Platzwunde am Kopf ins Krankenhaus eingeliefert werden. Mindestens zwei Leute wurden von Polizeihunden gebissen. Der Einsatzleiter an diesem Abend, bestätigen mehrere, die dabei waren, sei mit gezogener Pistole gegen einzelne Leute vorgegangen. Die einstmals „sanfte“ Linie im sozialdemokratisch regierten Köln hat sich seit der Räumung der besetzten Hüttenstrasse am 31.Mai in einen rigiden „Hau -drauf-Kurs“ gewandelt. Das Klima in der Stadt, das diesen Kurswandel möglich machte, ist von örtlichen Politikern und lokaler Presse systematisch aufgeheizt worden: „Kölner Hausbesetzer: Schlacht mit der Polizei“, ist dann auch am Montagfrüh die schrille Schlagzeile der regionalen Boulevardzeitung 'Express‘: „Hausbesetzer sofort gewalttätig“ die Unterzeile.

Und während auf dem Plenum der Ablauf der Ereignisse Stunde für Stunde mühsam zusammengesetzt wird, noch diskutiert wird, ob die Räumung an diesem Tag schon lange geplant war oder ob die Idee dazu erst im Verlauf der nächtlichen Auseinandersetzung entstanden ist, wissen alle etwa achtzig Leute, daß sie in dem Haus sitzen, das als nächstes dran sein wird. Als dann zwei Wannen in der Weißhausstraße auftauchen, als ein paar Männer mit großen Hunden am Tor des besetzten Hauses provozieren, werden alle unruhig. Die Überlegungen, wo die Möbel der geräumten Leute aus der Körnerstrasse untergestellt werden können, in welchen Projekten noch Schlafstellen für die obdachlos gewordenen aufgetrieben werden können, werden unterbrochen.

Es dauert, bis wieder Ruhe einkehrt - Gegenmaßnahmen diskutiert werden: Flugblatt schreiben, eventuell eine Demonstration organisieren. Viel ist es nicht, was zu tun bleibt. „Seit Wochen nehmen die uns in Köln Freiraum um Freiraum, und statt inhaltlich arbeiten zu können, werden wir permanent gezwungen, uns mit Antirepressionsarbeit überhaupt noch etwas Bewegungsspielraum zu erhalten“, stellt einer fest.