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■ Hiermit startet die taz eine neue Serie querkreuz durchs Kulturleben in der zweiten Reihe: Leute die verlegen, ausstellen, verkaufen und vermitteln und nicht unbedingt selbst Hand anlegen an die Kulturprodukte

Heinz Stark, geb. 1943, war früher in der Erwachsenenbildung tätig, ist ausgebildeter Kunsterzieher und Maler. Seit Anfang 1988 ist er Vorsitzender des Bremer Berufsverbands Bildender Künstler (BBK).

1985 fand erstmals auf Initiative von im BBK organisierten Künstlern der „Bremer Kunstfrühling“ statt. Ausgehend von der Erkenntnis, daß das, was hier in Bremen an Kunst produziert wird, kaum zur Kenntnis genommen wird, wurde der Öffentlichkeit in einer gemeinsamen Anstrengung von Galerien, öffentlichen Ausstellungshäusern und Künstlern für einige Wochen Bremer Kunst als geballte Ladung präsentiert. Vom 16.9. bis 12.11., also sinnigerweise im Herbst, findet zum zweiten Mal ein Kunstfrühling statt.

Die taz sprach Heinz Stark über Konzept und nähere Umstände dieser Veranstaltung. Mit dem Projekt „Kunstfrühling“ starten wir unsere Reihe „Culture Club“, die nächste Folge demnächst in diesem Theater

taz: Was bedeutet die Bezeichnung „Kunstfrühling“?

Heinz Stark: Das Prinzip des Kunstfrühling ist, daß alle, die ausstellen wollen, ausstellen können, ohne jede Auslese.

Wie geht das denn? Die Ausstellungsfläche ist ja nicht unbegrenzt?

Das ist ein richtiges „Catch as catch can“, so daß praktisch jeder Künstler seinen Raum selbst mitbringen muß. Es ist natürlich so, daß die Galeristen - sie sind ja keine Wohlfahrtseinrichtungen - die Leute ausstellen, die sie für die Besten halten.

Es gibt auch ein gegenläufiges

Denken bei uns, nämlich, daß wir, wenn wir regionale Kunst als gute Kunst etablieren wollen, auch zeigen müssen, daß es hier Qualität gibt. Der Ansatz, jeder Professionelle darf ausstellen, ist gewahrt, auch wenn wir gleichzeitig die Konzeption dahingegend verändert haben, daß es auch jurierte Ausstellungen gibt.

Wir haben also eine Mischung aus jurierten Ausstellungen, Auswahl durch Galeristen und freien Ausstellungen. Teilnahme frei.

Beteiligen sich wirklich alle Galerien, und was ist ihr Interesse dabei?

Außer etwa vier Galerien beteiligen sich eigentlich alle. Ich unterstelle den Galeristen, daß sie die Idee gut finden, die regionale Kunst mehr zu fördern. Was die kommerzielle Seite anbelangt, so schätzen das Galeristen wohl eher als Ausfallzeit einschätzen.

Von Seiten der Galerien hat das Unternehmen also doch eher wohltätigen Charakter?

Na ja, wir hoffen, daß gerade diese Veranstaltungsreihe (es soll ja noch mehr davon geben) keine Wohltätigkeitsveranstaltung wird. Bislang ist es so, daß hier ansässige Künstler, die an der Schwelle zu weiterreichender Bedeutung stehen, in der Regel abwandern. Das liegt daran, daß das Publikum in Bremen sowieso ziemlich klein ist - und im Bezug auf Kunst, die hier zu Hause ist, noch kleiner.

Eine wesentliche Intention des Kunstfrühlings ist, dies zu ändern, damit gerade die Leute, die hier gute Kunst machen, zur Kenntnis genommen werden und hier ihren Markt finden. Der BBK muß insgesamt versuchen, das Klima für Kunst zu verbessern. Es geht dabei darum, eine Liberalität bei den Leuten zu entwickeln, die etwas so Unbequemes wie Kunst auch ins Herz schließt. Von daher rechtfertigt sich auch die Konzeption, über die traditionellen Kunststätten hinaus an öffentliche Orte zu gehen.

Was wird über Ausstellungen hinaus geboten?

Schriftsteller haben für den Katalog literarische Texte zur Verfügung gestellt. Zum anderen wollen wir Lesungen innerhalb der Ausstellungen organisieren. Darüberhinaus stiften alle beteiligten Künstler Kunstwerke, die dann, voraussichtlich am 9.10. verlost werden.

Bei 140 teilnehmenden Künstlern

gibt es dann also irrsinnig viel zu gewinnen?

Ja, und wenn man davon ausgeht, daß diese Veranstaltung nicht gerade von Tausenden besucht wird, sind die Gewinnchancen also ungeheuer hoch. Schön wäre, wenn die Leute ihre Gewinne gleich an Ort und Stelle austauschen würden.

Also ich gewinne etwas, das mir nicht gefällt und tausche es gegen etwas Schöneres?

Ja. Das könnte eine sehr kommunikative Angelegenheit werden. Die Lose sind in den Katalog eingedruckt, so daß man sie automatisch mit dem Katalog erwirbt.

Besteht nicht die Gefahr, daß durch eine derartige Ausweitung des Kunstfrühlings das Ganze nur noch der Unterhaltung dient?

Die Gefahr von zuviel Spektakel und zuwenig Substanz, die ist sicher da. Kunst ist kein Gegenstand zur Vermassung. Es ging nur darum, den Kunstfrühling nicht neben anderen Kulturereignissen verschwinden zu lassen. Gleichzeitig ist damit sicher eine Kapazitätsgrenze erreicht.

Wer finanziert den Kunstfrühling?

Das ist eine sehr spannende Frage insofern, als er bislang eigentlich nur partiell finanziert ist. Die Kosten, die die Galerien haben, müssen natürlich von den Galerien aufgebracht werden. Die Kosten für die Organisation müssen vom BBK getragen werden - wobei er das nicht alleine kann.

Es gibt einmal eine Unterstützung vom Senator für Wissenschaft und Kunst. Zum anderen haben wir versucht, Sponsoren bei Industrie und Handel zu finden.

Wart ihr dabei erfolgreich?

Lange Pause - wir waren nicht ganz unerfolgreich. Aber wir waren nicht erfolgreich genug. Die Unterstützung des Senats (etwa 15% -20% der Gesamtkosten) stellt ein gewisses Engagement dar. Verglichen mit dem, was ein Kunstfrühling eigentlich kosten müßte - also, man muß ja sehen, daß dies eine Low-Budget-Veranstaltung ist - wir bräuchten eigentlich eine komfortablere Ausstattung. Im Hinblick auf das, was gebraucht würde, bewegt sich das, was wir von senatorischer Seite bekommen, auf dem Niveau von Winsen an der Luhe.

Was die privaten Sponsoren anbelangt: Es ist ein Trauerspiel. Das liegt einfach daran, daß re

gionale Kunst keinen PR-Wert hat. Es gibt keine spektakulären Aktionen. Von daher fallen wir unter die Rubrik von Breminale bis Stadtteilfest.

Ist durch diese Probleme der Erfolg der Veranstaltung gefährdet?

Es läuft dem Erfolg natürlich entgegen. Das ist immer dasselbe: Wir müssen uns etablieren, um gefördert zu werden, und um uns richtig zu etablieren, müßten wir vorher gefördert werden. Ich denke aber, daß wir es geschafft haben, dem Ganzen diesmal noch einen tüchtigen Ruck in die richtige Richtung zu geben. Es wird ca. 60 Ausstellungsorte und 140 teilnehmende Künstler geben. Das ist eine Steigerung von 50%, bzw. 80%.

Der Kunstfrühling hat sich also enorm vergrößert, da können wir das Ganze nicht auf so einem gebastelten Niveau halten. Das ist jetzt keine Kritik am Kunstfrühling '85. Wir sind nur quasi in der Pflicht, es besser zu machen.

In welchem Fall wäre der Kunstfrühling als gelungen zu betrachten?

Entscheidend wird sein, welches Echo wir in den Medien haben werden. Und die kommerziellen Erfolge. Sehr wesentlich ist auch die Publikumsresonanz. Ich hoffe, daß deutlich wird, daß

Kunst der Region nicht heißt: provinzielle Kunst.

Was sich da ereignet, daß nämlich fast sämtliche öffentlichen Aussteller und Galerien sich zusammentun und zwei Monate konzentriert Kunst der Region zeigen, ist kulturpolitisch und kulturell ein bedeutendes Ereignis. Mit einem Wort: Es bewegt sich was.

Einmal im Jahr?

Der Kunstfrühling wird ja höchstens alle drei Jahre stattfinden...

Also dann alle drei Jahre?

Also, du kannst mir jetzt nicht in den Mund legen, daß das ganze Ding nicht funktioniert!

Dennoch hörst du dich an wie jemand, der ein krankes Pferd streichelt uns sagt: Gestern sahst du aber noch viel schlechter aus!

Wenn das Pferd jetzt die Kunst in Bremen sein soll, dann ist eigentlich nicht das Pferd krank, sondern der Pferdestall ist baufällig. Da drin steht ein junges Pferd, das ist ganz springmunter. Tatsächlich ist es eine ganze Koppel junger Pferde, plus einige, die ihr Gnadenbrot bekommen. Aber die springmunteren jungen Pferde, die wollen raus, und so etwas soll auch die Metapher „Kunstfrühling“ rüberbringen.

Vielen Dank.

Das Gespräch führte S.H.