piwik no script img

Bürokraten entscheiden alleine

■ Bremer Arbeitsamt vergibt Millionen-Auftrag: Deutschkurse für SpätaussiedlerInnen Anerkannte Weiterbildungsträger wollen Private Schulen aus dem Markt kicken

Das Bremer Arbeitsamt wird am 19. August einen Auftrag über mehr als sechs Millionen Mark vergeben: 1.800 „deutschstämmige“ SpätaussiedlerInnen aus Europas Osten sollen in den nächsten drei Jahren die Sprache ihrer Vorfahren lernen. Wer wird sie unterrichten? Die Ausschreibungsfrist läuft bis Ende Juli.

Bisher teilen sich drei private Sprachschulen in die Aufgabe: Lopez Ebri, inlingua und Dialog. Die Kurse dauern sieben, in Zukunft zehn Monate, der Unterricht umfaßt etwa sechs Stunden täglich.

Doch bei dieser Ausschreibung ist auch das Interesse der großen, anerkannten Weiterbildungsträger erwacht. Denn die bekommen die Sparsamkeit der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit auf einem Gebiet zu spüren, wo sie bisher gut verdienen konnten: bei der beruflichen Weiterbildung. Seitdem sind die Angestelltenkammer und das Berufsfortbildungswerk des DGB auf der Suche nach neuen Arbeitsfeldern. Sie wollen nun auch den Sprachunterricht für Spätaussiedler für sich an Land ziehen.

In den letzten Jahren haben sie sich damit nicht abgegeben. Denn die Verdienstmöglichkeiten beim Sprachunterricht sind eher jämmerlich: Die Konkurrenz unter den Sprachschulen hat den Preis abstürzen lassen: Anfang der achtziger Jahre mußte das Arbeitsamt noch über fünf Mark pro Unterrichtsstunde bezahlen, jetzt gilt ein Preis von 2,65 Mark als üblich. Sprachschulen haben dem

Arbeitsamt in der Vergangenheit schon Angebote eingereicht, die knapp über zwei Mark lagen. Bei der jetzt laufenden Ausschreibung sollen die Konkurrenten auch angeben, was sie pro Unterrichtsstunde vergütet haben wollen. Sie haben also Gelegenheit, sich nochmal zu unterbieten.

Die anerkannten Weiterbildungsträger können mit ruinösen Preisen besser zurechtkommen als die Privaten. Denn nach dem Bremischen Weiterbildungsgesetz stehen ihnen Zuwendungen aus dem Landeshaushalt zu. Außerdem kann zum Beispiel die Angestelltenkammer zeitweise Verluste einzelner Unterrichtsprogramme aus lukrativen Bereichen ausgleichen. Die Sprach

schule „Dialog“, ein Verein arbeitsloser Lehrer, kann das nicht. Bei ihnen ist der Sprachunterricht für Spätaussiedler Existenzgrundlage. Fällt er weg, sind sie pleite und wieder arbeitslos.

Die besten Chancen im Kampf um den Millionen-Auftrag hat die Angestelltenkammer. Das Arbeitsamt will das gesamte Kontingent an einen Träger vergeben. „Wenn die Angestelltenkammer uns anbietet, das gesamte Kontingent zu übernehmen, wie sollen wir das ablehnen“, sagte gestern ein Sprecher des Arbeitsamtes.

Die Entscheidung trifft nicht der öffentlich-rechtlich besetzte Verwaltungsausschuß des Arbeitsamts, sondern die Bürokratie allein.

mw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen