Staufrei ins nächste Jahrtausend

■ Bremer Straßenausbauplanung: Mit der Verkehrsideologie der sechziger Jahre soll der Bremer Osten neu erschlossen werden Vier breite Schneisen für Individual- und Daimlerschwerlastverkehr / Im Herbst soll es losgehen

Vorausschauende Planung wird derzeit in der Behörde für Stadtentwicklung betrieben. Eine Gruppe von Behördenexperten, unterstützt von Politikern, hat sich schon jetzt einmal überlegt, wie die Verkehrsströme zwischen Schwachhausen, der Vahr, Hemelingen und Peterswerder während der Baumaßnahmen in den kommenden Jahren umgeleitet werden können. Fazit: Es wird schwierig, aber es geht. Diese vorausschauende Planung ist auch dringend notwendig, denn wenn die Straßenausbaupläne von Papier zu Beton werden, wird die östliche Vorstadt Bremens völlig umgekrempelt.

Hans-Otto Schulte ist seit vier Monaten Senatsdirektor für

Stadtentwicklung. Die Pläne, die er bei Amtsantriit vorfand sind vor rund 10 Jahren entwickelt worden. „Damals war die Prämisse, daß der Autoverkehr die größtmögliche Fläche zur Verfügung gestellt bekommt“, weiß auch er. Politischer Wille wurden die Ausbaupläne dann im Juni 1983. Damals verabschiedete die Bürgerschaft den Flächennutzungsplan. „Der weitere Verbrauch von Freiräumen, z.B. für Bauflächen oder Verkehrswege, wird in der Öffentlichkeit zunehmend kritischer gesehen“, schrieb der ehemalige Bausenator Bernd Meyer in das Vorwort. Doch diese Einschätzung, so zeigt es die Karte „Individualverkehr“, änderte nichts an der Ziel

richtung der Planung. Leitgedanke: Alle wirtschaftlichen Zentren Bremens, der Hafen im Westen, die Innenstadt und Daimler im Osten, sollen von Autos und LKW's über Autobahnen und autobahnähnliche Hauptverkehrswege schnellstmöglich zu erreichen sein.

„Da steht massives Interesse von Daimler dahinter und Bremen ist an einer Expansion des Werkes interessiert“, verschweigt Schulte denn auch gar nicht die Gründe für die Ausbauplanungen. So steht ganz oben auf Schultes Prioritätenliste ein mehrere hundert Meter langer Tunnel zwischen den Daimler-Werkstoren und dem Autobahnzubringer Hemelingen. Nutznießer ist in erster Linie der Automobilkonzern, der so eine schnellere Anbindung für den Schwerlastverkehr erhält. Auch von der zweiten großen Baumaßnahme in Sebaldsbrück profitiert Daimler unmittelbar. Wenn die Beneckendorffallee entlang der Bahnlinie fertiggestellt ist, ist auch die Anbindung an die Kurfürstenallee und damit in die Innenstadt und zu den Häfen entscheidend verbessert. Wenn da nicht noch das Nadelöhr Schwachhauser Heerstraße wäre. Auf gemeinsamen Fahrspuren quälen sich hier Straßenbahnen, Busse und Autos ins Zentrum und daran vorbei zu den Häfen. In der Logik der Planungen liegt es daher, auch hier dem KfZ-Verkehr zwei eigene Spuren in jede Fahrtrichtung zur Verfügung zu stellen. Für 200.000 BremerInnen, so Schultes Begründung, ist die Schwachhauser Heerstraße die Hauptzufahrtsstraße in die Innenstadt. „Das sind Plausibilitätsargumente, die wir bedenken müssen.“

Am Ende der Schwachhauser Heerstraße verengt der Concordia -Tunnel die Fahrspur. Hier ist

eine neue Eisenbahnüber führung mit 32 Meter Spannweite vorgesehen. Auch für Schulte ist die Planung seiner Vorganger an dieser Stelle zu üppig ausgefallen. Eine Neuplanung erscheint ihm aber nicht möglich, wegen der „Sachzwänge“. Denn das Intercitygleis auf dem Tunnel, so Schulte, sei abgängig, und daher müßte mit dem Bau schnellstmöglich, das heißt noch im Herbst dieses Jahres, begonnen werden. Und außerdem müsse man die 32 Meter ja nicht ganz für den Straßenbau nutzen.

Bleibt als vierte Maßnahme im

Gesamtkunstwerk Verkehrs konzept die Georg-Bitter-Straße, für Schulte eine notwendige Querspange in den Bremer Süden zur Entlastung der Stader Straße.

Im Ergebnis erhofft sich Schulte eine „nachhaltige Verbesserung der Infrastruktur der Stadt“ und bis dahin viel Arbeit für die darbende Bauindustrie. Doch bis die Bauarbeiter anrükken können, muß zunächst einmal die Planung vollendet werden. Und da steht im Herbst die Beteiligung der Bürger und der Beiräte an.

Trotzdem: Einen groben Fahr

plan hat die Behörde schon fertig. Die Schwachhauser Heerstraße soll 1990 zur Stadtautobahn umgebaut sein, zwei Jahre später sollen Autos über Beneckendorffallee und Georg -Bitter-Straße rollen, und Mitte der 90er Jahre soll der Daimler-Tunnel vollendet sein. Es sei denn, die Proteste von AnwohnerInnen, Verkehrsinitiativen und Beiräten bringen die Tiefbaupolitiker noch einmal zum Umdenken: „Solche Projekte sind an vielen Stellen verletzbar“, weiß auch Schulte, „da muß man dann mal gucken.“

Holger Bruns-Kösters